sog. Lindenlied


I

 

′Under der linden

an der heide,

dâ unser zweier bette was,

dâ mugent ir vinden

schône beide

gebrochen bluomen unde gras.

vor dem walde in einem tal,

tandaradei,

schône sanc diu nahtegal.

 

II

 

Ich kam gegangen

zuo der ouwe:

dô′ was mîn friedel komen ê.

dâ wart ich enpfangen,

hêre frouwe!

daz ich bin sælic iemer mê.

kust er mich? wol tûsentstunt:

tandaradei,

seht wie rôt mir ist der munt.

 

III

 

Dô het er gemachet

also rîche

von bluomen eine bettestat.

des wirt noch gelachet

inneclîche,

kumt iemen an daz selbe pfat.

bî den rôsen er wo1 mac,

tandaradei,

merken wâ mirz houbet lac.

 

IV

 

Daz er bî mir laege,

wessez iemen

(nu enwelle got!), sô schamt ich mich.

wes er mit mir pflæge,

niemer niemen

bevinde daz, wan er und ich,

und ein kleinez vogellîn:

tandaradei,

daz mac wol getriuwe sin.′

 

--- Übersetzung: ---

 

I

 

Unter der Linde

auf der Wiese,

wo unser beider Bett war,

da könnt Ihr beides

auf die einzig richtige Weise

gebrochen sehen, die Blumen und das Gras.

Vor dem Wald, in einem Tal

- tandaradei -

herrlich sang die Nachtigall.

 

II

 

Ich bin zum Wasser gekommen:

Da war mein Geliebter schon da.

Da wurde ich empfangen,

hohe Herrin!,

dass ich auf immer selig sein werde.

Ob er mich geküsst hat? Bestimmt tausend Mal!

- tandaradei -

Seht, wie rot mir der Mund ist!

 

III

 

Da hatte er schon

ganz herrlich

aus Blumen ein Bett gemacht.

Darüber wird man noch lachen,

inständig und ganz bei sich,

wenn jemand den selben Weg nimmt.

An den Rosen kann der [dann] ganz genau,

- tandaradei -

erkennen, wo mein Kopf gelegen war.

 

IV

 

Dass er bei mir gelegen ist

- wenn das jemand wüsste,

(das muss Gott verhindern!), dann schämte ich mich.

Was er mit mir getan hat,

niemand wird das jemals

erfahren, außer er und ich,

und ein kleines Vögelchen:

tandaradei -

das wird sicher verschwiegen sein.

 



(* 1170-00-00, † 1230-00-00)



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Kommentare


  • Falk
    Einzigartig, wie zart und doch direkt -- und als sei es geste erst Beschriebenes, und nicht im zwölften Jahrhundert Verstaubtes .
    Tja, der gute Walther . . .