Nun ruhen alle Wälder.


O Welt, ich muß dich laßen.

 

Nun ruhen alle Wälder,

Vieh, Menschen, Städt und Felder,

es schläft die ganze Welt:

Ihr aber, meine Sinnen,

auf, auf! ihr sollt beginnen,

was eurem Schöpfer wohlgefällt

 

Wo bist du, Sonne, blieben?

die Nacht hat dich vertrieben,

Die Nacht, des Tages Feind:

Fahr hin, ein’ andre Sonne,

mein Jesus, meine Wonne,

gar hell in meinem Herzen scheint.

 

Der Tag ist nun vergangen,

die güldnen Sternlein prangen

am blauen Himmelssaal:

So, so werd ich auch stehen,

wenn mich wird heißen gehen

mein Gott aus diesem Jammerthal.

 

Der Leib, der eilt zur Ruhe,

legt ab das Kleid und Schuhe,

das Bild der Sterblichkeit:

Die zieh ich aus, dagegen

wird Christus mir anlegen

den Rock der Ehr und Herrlichkeit.

 

Das Haupt, die Füß und Hände

sind froh, daß nun zum Ende

die Arbeit kommen sei:

Herz, freu dich, du sollst werden

vom Elend dieser Erden

und von der Sünden Arbeit frei.

 

Nun geht, ihr matten Glieder,

geht, geht und legt euch nieder,

der Betten ihr begehrt:

Es kommen Stund und Zeiten,

da man euch wird bereiten

zur Ruh ein Bettlein in der Erd.

 

Mein’ Augen stehn verdroßen,

im Hui sind sie geschloßen,

wo bleibt dann Leib und Seel?

Nimm sie zu deinen Gnaden,

sei gut für allen Schaden,

du Aug und Wächter Israel!

 

Breit aus die Flügel beide,

o Jesu, meine Freude

und nimm dein Küchlein ein!

Will Satan mich verschlingen,

so laß die Englein singen:

Dies Kind soll unverletzet sein.

 

Auch euch, ihr meine Lieben,

soll heute nicht betrüben

kein Unfall noch Gefahr!

Gott laß euch ruhig schlafen,

stell euch die güldnen Waffen

ums Bett und seiner Helden Schaar!



(* 1607-03-12, † 1676-05-27)



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