Trostlose Thränen


Blickt nicht so wild, weint nicht so arg,

Weil von des Sturmes rauher Hand

Das Schiff, das Euern Reichthum barg,

Zertrümmert liegt am Klippenstrand,

 

Weil Euch nur Asche übrig blieb,

Die Flamme Euer Haus verzehrt,

Weil fort der Krieg die Heerden trieb,

Das schöne Gut der Feind verheert.

 

Noch fluthet ja das Meer, es weht

Der Wind, der frisch die Segel schwellt,

Die alte Wasserstraße geht

Noch immer frei hin durch die Welt.

 

Leicht bringt der Zufall, was er nahm;

Drum eilt zu neuer Wagniß fort!

Wie manches Schiff ging schon und kam,

Glück und Gewinn an seinem Bord.

 

Das Haus ersteht, – der Friede bringt

Bald wieder, was der Krieg verheert;

Wie war', was sich so leicht erringt,

Wohl solcher heißen Thränen werth? – –

 

Was weinst Du Deine Aeuglein roth,

Und raufst Dein Haar, o junge Braut?

Weil nun im Grab liegt kalt und todt,

Der einst im Arm Dir lag so traut?

 

Starb er nicht treu, glänzt' Himmelslust

Nicht ihm im Aug', als er entschlief?

Der letzte Hauch aus seiner Brust,

War's nicht Dein Name, den er rief?

 

Und siehst Du nicht, wenn süß und mild

Die Nacht am tiefen Himmel blaut,

Daß er aus jedem Sternenbild

Mit Gruß und Wink herniederschaut?

 

Und siehst Du nicht die lichte Bahn,

Milchweiß im Aether ausgespannt;

Führt sie Dich nicht zu ihm hinan,

Reicht er Dir nicht von dort die Hand?

 

Und wie? Du weinst, weil kurze Frist

Du ihn nicht hältst, nur siehst im Licht,

Da doch ein Tag beschieden ist,

Wo Seele sich an Seele flicht?

 

Das ist kein Grund, daß voll und schwer

Die Thrän' an Deiner Wimper bebt,

Daß sich Dein Blick so trostesleer,

So starr und irr', und wild erhebt! – –

 

Du aber weine, armes Herz,

Dem jeder Schlag ein Schlangenstich,

Dem nur der Dorn blieb und der Schmerz,

Indeß der Rose Glanz verblich!

 

Dem Untreu, Trug und falsches Wort

Jedweden Tropfen laut'res Blut

Aussog, und das, ob auch verdorrt,

Noch an des Vampirs Lippen ruht! –

 

Du weine, edle Menschenbrust,

Die Du geglaubt an beßre Zeit,

Die, ihres Strebens sich bewußt,

An schöner Hoffnung sich erfreut.

 

Du, die des Herzens frommen Drang,

An eitler Träume Glanz gesetzt,

Und doch so treu und gläubig rang,

Und die kein dämmernd Licht mehr letzt!

 

Die einen Garten Du die Welt,

Voll süßen Rosenglanz, geschaut,

Von Glück und Fried' und Lust erhellt,

Und der nun vor der Wildniß graut,

 

Die Du auf Menschenwerth gebaut,

Und die statt Tugend, Freiheit, Recht,

Die ärg're Wüste nur geschaut,

Und ein entarteter Geschlecht! –



(* 1790-02-28, † 1862-03-16)



Weitere gute Gedichte von Joseph Christian von Zedlitz zum Lesen.