Der Gosausee


O komm Geliebte, komm und laß uns hier

In diesem Bergeseden Hütten bauen,

Ein einsam Plätzchen suchen Dir und mir,

Hier wo die hohen Kulmen niederschauen,

 

Hier, nah dem Himmel – und noch näher Dir!

O komm mit mir, laß meine Hand Dich leiten,

Klimm kühn hinan die unbekannten Pfade,

Dich lohnen nie geahnte Herrlichkeiten,

Zu deren Schau ich Dich, mein Kleinod, lade!

 

Sey unbesorgt, ich lasse Dich nicht gleiten! – –

Wie spielt das Licht durch's dunkle Grün so eigen,

Laub perlt und Gras vom nächt'gen Regenbade,

Und Diamanten tropfen von den Zweigen!

Die Sonne, die noch hinter Schleiern ringt,

 

Beginnt nun allgemach empor zu steigen,

Und wie ihr Strahl den feuchten Dunst bezwingt,

Ballt sich der Nebel, der in weißen Binden

Sich um die kahlen Felsenhäupter schlingt,

Um endlich in der Tiefe zu verschwinden!

 

Du frischer grüner Tann, welch würz'ger Duft

Weht durch dich hin, und hauchet seiner Linden

Balsamische Arome in die Luft!

Das Licht sprüht durch das Land hellgrüne Blitze,

Der Sprosser schlägt, die braune Amsel ruft –

 

Es schwinget von des Baumes höchster Spitze

Wie weiter wir fortschreiten im Gestripp,

Der Adler sich, gescheucht von seinem Sitze,

Und sucht zum Horst sich einsamer Geklipp.

Dort sitzt er stumm in seinem Felsenhause,

 

Vor sich des Mahles Rest, Haut und Geripp! – –

Noch windet sich der Weg eng durch die Klause,

Wo über Steingeröll die weißen Schäume

Des Waldbachs niederstürzen mit Gebrause;

Bis endlich sich aufthun verschloss'ne Räume,

 

Und zu verborgnen Wundern wir gelangen,

Als zögen wir durch's Zauberland der Träume! –

Sieh hier, wo wild die Felsen überhangen,

Hoch oben in der Lüfte Regionen,

Den dunkelgrünen Wasserspiegel prangen!

 

Den Donnerkogel ihm zur Seite thronen;

Die kahle, graue Wand, lang hingestreckt,

Die seltsam wunderliche Zackenkronen

Gleich Minareten in die Wolken steckt? –

Hier wohnten einst mit Ketten angeschlossen,

 

Unbänd'ge Riesen, von Granit bedeckt,

Gewaltsam rüttelnd an den Fels verschlossen,

Wenn Nachts im See auftauchten die Najaden,

Den weißen Leib, von Mondesglanz umflossen,

Im klaren Edelstein der Fluth zu baden,

 

Und lockend, sehnend, riefen die Gebannten

Zu seliger Umarmung einzuladen! –

Sieh einen einzigen lichten Diamanten,

In seiner Herrlichkeit den Dachstein ragen,

Den eisgekrönten, mächt'gen Nekromanten,

 

Der in die Wolken scheint das Haupt zu tragen,

Indeß den Fuß netzen des Sees Krystallen,

Die bis zu ihm smaragdne Wellen schlagen,

Um seine Schultern weiße Schleier wallen,

Ein Schneetalar schwimmt um des Zaubers Glieder,

 

Auf seine Brust, wie goldne Pfeile, fallen

Der Sonnenscheibe glüh'nde Strahlen nieder,

Und aus dem Zauberspiegel, der am Irisbande

Ihm um den mächt'gen Nacken hänget, prallen

Sie bunt in hundert Farben spielend, wieder! –

 

Er war Gebieter einst, und Fürst im Lande,

Und hielt am See ein strenges Regiment;

Die Riesen dort schlug Er in harte Bande,

Und hielt von ihren Liebsten sie getrennt;

Die fruchtlos seufzen und ihr Leiden klagen;

 

Wie hart es sey, weiß wer die Sehnsucht kennt,

Und ihre Gluthen hat im Mark getragen! –

Nicht immer herrscht' er hier! Von Jubel schallten

Rings Fels und Wald und Thal, in jenen Tagen,

Als noch nicht Macht gegeben war dem Alten,

 

Und diese Gründe noch den Bann nicht kannten,

Von seines Zaubers furchtbaren Gewalten! –

Nachts, wenn die Sterne funkelten und brannten,

In Silber schwamm des Donnerkogels Schanze,

Da sprangen von den Bergen die Giganten,

 

Umgürtet Hüft' und Haupt mit fichtnem Kranze!

Und aus dem See schimmerten holde Leiber

Der Riesenbräute, in der Schönheit Glanze,

Weit überragend alle ird'schen Weiber!

In Lust erglüht und trunkenem Verlangen,

 

War ihnen Lieb' ein übermächt'ger Treiber!

Glücksel'ger Wahnsinn war dann aufgegangen,

Und rings umher ein glühend Wonnestreiten,

Wenn süßen Kampfes Kraft und Schönheit rangen,

Und wiederhallend dröhnten Berg und Weiten! – –

 

So war es einst, als jung noch war die Welt,

Im Urstand der Natur, in jenen Zeiten,

Da wilder Kraft kein Hüter noch gestellt.

Nun ist es anders! Die Gestalten schwanden,

Die Zauber alle jener Mährchenwelt!

 

Zwar glänzt der Dachstein wo er einst gestanden,

Ein Diamant von ew'gem Eis und Schnee;

Die Ahornkränze, die ihn sonst umwanden,

Umwinden noch den grün smaragdnen See;

Der Donnerkogel hebt noch seine Zinken

 

Phantastisch in das Wolkenblau wie eh':

Doch wo des Zaubrers Thron stand, sieh, da blinken

Des Morgens Kerzen nun, und Düfte steigen

Wie Opferrauch, und Gluthaltäre winken;

Und weit umher ist feierliches Schweigen,

 

Und Sabbathstille rings; nichts lebt, nichts webt!

Ein Gems nur blickt dort ruhig um, zu zeigen,

In diesem Raum, wo Gottes Odem schwebt,

Sey noch von Menschen nicht die Spur zu schauen.

Noch hat er nicht hieher sein Dach geklebt,

 

Und frei ist's noch auf dieses Eisfelds Auen! –



(* 1790-02-28, † 1862-03-16)



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