An Belinden


Warum ziehst du mich unwiderstehlich

Ach, in jene Pracht?

War ich guter Junge nicht so selig

In der öden Nacht?

 

Heimlich in mein Zimmerchen verschlossen,

Lag im Mondenschein,

Ganz von seinem Schauerlicht umflossen,

Und ich dämmert′ ein;

 

Träumte da von vollen, goldnen Stunden

Ungemischter Lust,

Hatte schon dein liebes Bild empfunden

Tief in meiner Brust.

 

Bin ich′s noch, den du bei so viel Lichtern

An dem Spieltisch hältst?

Oft so unerträglichen Gesichtern

Gegenüber stellst?

 

Reizender ist mir des Frühlings Blüte

Nun nicht auf der Flur;

Wo du, Engel, bist, ist Lieb′ und Güte,

Wo du bist, Natur.



(* 1749-08-28, † 1832-03-22)



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