Im Hochgebirg


Steig', o Seele, mit diesen

Trutzigen Urweltriesen!

Recke dich!

Strecke dich! –

Wie ihr entschlossen

Seid emporgeschossen,

Das Steinherz in der Brust,

Das zu sehen ist Lust.

Ihr seid nicht höflich und fein,

Ihr lüget nicht, weich zu sein,

Euch macht nicht Sorge und Rücksicht bang,

Ihr bücket euch nicht, ihr fraget nicht lang,

Die Losung heißt: Durch! die Losung heißt: Kraft!

So habt ihr euch Platz in der Welt verschafft. –

Es wird Nacht.

Fort ist die Farbenpracht.

Finster und schwer

Steh'n sie umher,

Schwarzblau mit düsteren Stirnen;

Selbst die weißen Firnen

Leuchten nicht mehr.

Aber o sieh, schau' empor!

Ein Haupt ragt vor

Ueber alle und taucht

In des Lichtquells letzten fliehenden Schein

Den Scheitel ein,

Zart milchweiß und rosig angehaucht.



(* 1807-06-30, † 1887-09-14)



Weitere gute Gedichte von Friedrich Theodor Vischer zum Lesen.