Ein Kameradenfest


Etlich und zwanzig Kameraden

Begiengen ein heitres Fest,

Sie hatten einander geladen

Von Süden, Nord, Ost und West.

 

Sie gedachten der Klosterhallen

Im grünen, felsigen Thal,

Sie sahen sich wieder wallen

In der Jugend Morgenstrahl.

 

Schon Manchem hatte die Locken

Des Lebens Winter geraubt,

Schon Manchem die weißen Flocken

Geschüttelt auf's ernste Haupt.

 

Die vergangenen Scherze wieder

Brachten sie auf den Plan,

Sie sangen die alten Lieder

Von Follen, von Arndt und Jahn.

 

Und einer der alten Knaben

Zog ein Gedicht hervor

Und las es und wußte zu laben,

Zu rühren den ganzen Chor.

 

Von allen Seiten sprangen

Die lobenden Zecher zu Hauf:

»Bravo!« Die Gläser klangen,

Man ließ ihn leben – »wohlauf!«

 

Dankend erhebt der Dichter

Sein Glas mit freudigem Schwung,

Die Augen glänzen ihm lichter,

Als wäre er wieder jung.

 

Und wie ihm der Kelch soeben

In der Hand noch erklingt und blinkt,

»Hoch!« rief er, »die Jugend soll leben!«

Da bricht er zusammen und sinkt.

 

Noch jubelte, trank und lachte

Abseits manch heitrer Gesell,

Der nicht an Schreckliches dachte, –

Es kam wie ein Blitz so schnell.

 

Er liegt uns zuckend im Arme,

Noch sind seine Wangen roth,

Doch das Leben entflieht, das warme,

Er röchelt, verblaßt, ist todt.

 

Er war der schönste gewesen

In der blühenden Jugendschaar

Und im Antlitz war ihm zu lesen:

Verständig und schlicht und wahr.

 

Sah man ihn ringen und springen

Im rüstigen Wettverein,

Die schlanken Glieder ihn schwingen,

Man glaubte in Sparta zu sein. –

 

Auf Kissen legt man ihn nieder,

Man drückt ihm die Augen zu,

Rings stehen die stummen Brüder;

Da liegt er in sanfter Ruh.

 

Es schwinden von Stirn und Munde

Die Spuren von Qual und Krampf,

Keine Furche gibt noch Kunde

Vom stürmischen Todeskampf.

 

Lächelnd scheint er zu sagen:

Nichts weiß ich von eurem Schmerz,

Und wer da noch wollte klagen,

Der zeigte kein männlich Herz.



(* 1807-06-30, † 1887-09-14)



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