Einer jungen Freundin ins Stammbuch


Ein blühend Kind, von Grazien und Scherzen

Umhüpft, so, Freundin, spielt um dich die Welt!

Doch so, wie sie sich malt in deinem Herzen,

In deiner Seele schönen Spiegel fällt -

So ist sie nicht. Die stillen Huldigungen,

Die deines Herzens Adel dir errungen,

Die Wunder, die du selbst getan,

Die Reize, die dein Dasein ihm gegeben,

Die rechnest du für Reize diesem Leben,

Für schöne Menschlichkeit uns an.

Dem holden Zauber nie entweihter Jugend,

Dem Talisman der Unschuld und der Tugend -

Den will ich sehn, der diesem trotzen kann!

 

Froh taumelst du im süßen Überzählen

Der Blumen, die um deine Pfade blühn,

Der Glücklichen, die du gemacht, der Seelen,

Die du gewonnen hast, dahin.

Sei glücklich in dem lieblichen Betruge!

Nie stürze von des Traumes stolzem Fluge

Ein trauriges Erwachen dich herab.

Den Blumen gleich, die deine Beete schmücken,

So pflanze sie - nur den entfernten Blicken!

Betrachte sie, doch pflücke sie nicht ab.

Geschaffen nur die Augen zu vergnügen -

Welk werden sie zu deinen Füßen liegen,

Je näher dir, je näher ihrem Grab!



(* 1759-11-10, † 1805-05-09)



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