Die Kirmes


Das ist ein Geigen und Flöten

Bis über das Dorf hinaus:

Sie feiern die Kirmes heute

Mit Tanz und Spiel und Schmaus.

 

Wenn ich ein Mädchen wäre,

So schaut′ ich die Burschen an,

Doch jetzt betracht′ ich die Mädchen,

Ein Mann sucht keinen Mann!

 

Die Blonde hat mir gefallen,

Solang′ ich die Braune nicht sah,

Jetzt ist mir, als hätt′ ich gesündigt,

Ei, war sie denn schon da?

 

Es darf sie nur einer küssen,

Doch jeder tanzt mit ihr,

Und auch den plattsten Gesellen

Vergoldet ihr Auge mir.

 

Und schlägt sie′s erglühend nieder,

Weil sie des Sponsen sich schämt,

Erhebt er dafür das seine,

Man sieht, daß ihn′s nicht grämt.

 

Und dies gefällt mir eben,

Er fühlt die Ehre doch,

Und denkt er daran im Alter,

So steift sich sein Rücken noch.

 

Im Alter, ach, im Alter!

Ja, ja, wir werden alt!

Er, ich, du selbst, wir alle,

Wir werden alt und kalt!

 

Die Kinder stecken des Abends

Zuweilen Papier in Brand

Und legen′s auf den Ofen

Und kauern sich um den Rand.

 

Sie freun sich der hüpfenden Funken

Mit Grau und Schwarz vermischt,

Und wetten, wer von allen

Am letzten wohl verlischt.

 

Wir hüpfen, wie diese Funken,

Über der Erde Rund

Und leuchten vielleicht am hellsten

In dieser frohen Stund′.

 

Wer weiß, wer von uns allen

Zuletzt erlöschen mag?

Der weiß auch, wer am längsten

Erzählt von diesem Tag!

 

Du schönstes Kind, ich ahne,

Das wirst du selber sein,

Ich sehe dich, wie doppelt,

Maifrisch, und alt, wie Stein.

 

Jetzt drehst du dich im Reigen,

So reizend und geschwind,

Wie dort das Rosenblättchen

Im Sommerabendwind.

 

Jetzt hockst du blind im Lehnstuhl,

Die Enkel um dich her,

Du sprichst von diesem Tage,

Sie glauben, von einer Mär′.

 

Du streichelst mit knöchernem Finger

Die Enkelin, die dir gleicht,

Du sagst: ich war dir ähnlich,

So jung, so schön, so leicht!

 

Sie aber kann′s nicht glauben,

Und das verdenk′ ich ihr nicht,

Sie müßte sich sagen: ich selber

Bekomm′ einst ein solches Gesicht!



(* 1813-03-18, † 1863-12-13)



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