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Die Bank des Alten


Ich bin einmal in einem Tal gegangen,

Das fern der Welt, dem Himmel nahe war,

Durch das Gelände seiner Wiesen klangen

Die Sensen rings der zweiten Mahd im Jahr.

 

Ich schritt durch eines Dörfchens stille Gassen.

Kein Laut. Vor einer Hütte sass allein

Ein alter Mann, von seiner Kraft verlassen,

Und schaute feiernd auf den Firneschein.

 

Zuweilen, in die Hand gelegt die Stirne,

Seh ich den Himmel jenes Tales blaun,

Den Müden seh ich wieder auf die Firne,

Die nahen, selig klaren Firne schaun.

 

′s ist nur ein Traum. Wohl ist der Greis geschieden

Aus dieser Sonne Licht, von Jahren schwer;

Er schlummert wohl in seines Grabes Frieden,

Und seine Bank steht vor der Hütte leer.

 

Noch pulst mein Leben feurig. Wie den andern

Kommt mir ein Tag, da mich die Kraft verrät;

Dann will ich langsam in die Berge wandern

Und suchen, wo die Bank des Alten steht.



(* 11.10.1825, † 28.11.1898)




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Kommentare

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  • Gravatar von Leci Brugger
    Leci Brugger | leci@kruezli.ch
    vor rund 2 Jahren

    K. F. Meyer hat sich im Gästebuch des Hotels „Rheinquelle“ um 1865 - 1868 eingeschrieben. Dieses Gedicht wurde scheinbar in Tschamut geschrieben. Das Hotel wurde von meinem Urgrossvater um 1965 erbaut