O Tannebaum! o Tannebaum...


O Tannebaum! o Tannebaum!

Du bist mir ein edler Zweig,

So treu bist du, man glaubt es kaum,

Grünst sommers und winters gleich.

 

Wenn andere Bäume schneeweiß sein

Und traurig um sich sehen,

Sieht man den Tannebaum allein

Ganz grün im Walde stehen.

 

O Tannebaum! o Tannebaum! etc.

 

Mein Schätzel ist kein Tannebaum,

Ist auch kein edler Zweig,

Ich war ihm treu, man glaubt es kaum,

Doch blieb er mir nicht gleich.

 

O Tannebaum! o Tannebaum! etc.

 

Er sah die andern schneeweiß sein

Und schimmernd um sich sehn,

Und mochte nicht mehr grün allein

Bei mir im Walde stehn.

 

O Tannebaum! o Tannebaum! etc.

 

Der andern Bäume dürres Reis

Schlägt grün im Frühling aus,

Pocht er sein Röckchen, bleibts doch weiß,

Schlägt nie das Grün heraus.

 

O Tannebaum! o Tannebaum! etc.

 

Oft hab ich bei mir selbst gedacht,

Er kömmt noch einst nach Haus,

Spricht: Hab mir selbst was weiß gemacht,

Poch mir mein Röcklein aus.

 

O Tannebaum! o Tannebaum! etc.

 

Und klopft ich ihn auch poch, poch, poch,

So fliegt nur Staub heraus;

Das schöne treue Grün kommt doch

Nun nimmermehr heraus.

 

O Tannebaum! o Tannebaum! etc.

 

Drum als er mich letzt angelacht,

Ich ihm zur Antwort gab:

Hast dir und mir was weiß gemacht,

Dein Röcklein färbet ab.

 

O Tannebaum! o Tannebaum! etc.

 

O Tannebaum! o Tannebaum!

Wie traurig ist dein Zweig,

Du bist mir wie ein stiller Traum,

Und mein Gedanken gleich.

 

O Tannebaum! o Tannebaum! etc.

 

Du sahst so gar ernsthaftig zu,

Als er mir Treu versprach,

Sprich, sag mir doch, was denkest du,

Daß er mir Treue brach.

 

O Tannebaum! o Tannebaum! etc.



(* 1778-09-09, † 1842-07-28)



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