Ich bin durch die Wüste gezogen...


Ich bin durch die Wüste gezogen,

Des Sandes glühende Wogen

Verbrannten mir den Fuß,

Es haben die Wolken gelogen,

Es kam kein Regenguß.

 

Die Sonne trank mir im Zorne

Das Wasser aus jeglichem Borne

An dem die Reise geruht,

Ich dürste, es leckten die Dorne

Meiner brennenden Wunden Blut.

 

Ich nahm den erschlagnen Kamelen

Das Wasser und Blut aus den Kehlen

Zu retten mein Weib und Kind,

Die Schätze an Gold und Juwelen

Begrub im Sande der Wind.

 

Da wühlt ich mit glühendem Schwerde

Den Kindern manch Grab in die Erde

Erwühlte mir keinen Quell,

Ob Gott sie wohl finden werde,

Die Hyänen heulten grell.

 

Ein Kind unterm Mutterherzen

Brach mit ihm, in schreienden Schmerzen

Gebar sie es sterbend dem Tod,

Es goß gleich glühenden Erzen

Die Sonne mir Licht in die Not.

 

Gern hätte ich Tränen getrunken,

Die Augen weinten nur Funken,

Ich wühlt noch ein Grab in den Sand,

Und bin in Verzweiflung gesunken,

Ach weil ich kein Wasser fand.

 

Da ward ich zur wandelnden Leiche,

Auf daß ich den Brunnen erreiche,

Den letzten auf glühender Bahn,

Und wie ich so lechzend hinschleiche,

Da brüllen die Tiger mich an

 

Des Tages glühende Schwelle

Verbrannte, da kam ich zur Stelle,

Der Brunnen war trocken und tot

Es glühte zur Mitternacht helle

Der Mond wie Kupfer so rot

 

Der Tod flog auf aus der Wüste,

Und schauderte, da ich ihn grüßte,

Und floh, da rief ich ihm zu,

Daß einer hier sterben müßte,

Er schrie mir: Erst lebe du!

 

Denn sterben heißt Ruhe erwerben

Drum kannst du nicht leben nicht sterben

Der Durst ist unendlich in dir,

Dein Erbteil, das will ich nicht erben

So schrie er, und eilte von mir

 

Und heulend flog der Geselle

Wüsteinwärts mit Pfeilesschnelle

Der Sand schlug rasselnd um ihn,

Da traf mich die glühende Welle

Ach, daß ich erblindet bin.

 

O Nacht ohn Anfang und Ende!

Kein Stern, wo hin ich mich wende,

Kein Bogen, kein Pfeil kein Ziel,

Da rang ich betend die Hände,

Bis die Decke mir niederfiel

 

Da fühlt ich das Ziel mir gekommen

Die glühende Leiter erklommen,

Ich schrie zu dem bitteren Stern

Der Herr hat gegeben, genommen

Gelobt sei der Wille des Herrn!

 

Da hört ich ein Flügelpaar klingen

Da hört ich ein Schwanenlied singen,

Und fühlte ein kühlendes Wehn

Und sah mit tauschweren Schwingen

Einen Engel in der Wüste gehn.

 

Und als ich ihn fragend begrüßte,

Sag an, du Engel der Wüste

Wie find ich den Wasserquell?

Sprach er: wer treulich büßte,

Der steht an der Brunnenschwell.

 

Sag an, du Engel der Wüste,

Und find ich den Quell, da ich büßte,

Wo find ich Jerusalem

Da sprach er: so ich das nicht wüßte,

Käm ich nicht von Bethlehem

 

So folge nun meinem Gleise,

Blind wandeltest du im Kreise,

Nach Jerusalem wolltest du,

Reich mir die Hand auf der Reise,

Du zogst nach Babylon zu.

 

Der Herr trieb tausend Meilen

Mich her, um dich zu heilen,

Zu brechen mein Brod mit dir,

Den Becher mit dir auch zu teilen,

Wohlauf, nun folge du mir.

 

Und vor ihm kniete ich nieder,

Er legte sein tauicht Gefieder

Mir kühl um das glühende Haupt,

Und sang mir die Pilgerlieder

Da hab ich geliebt und geglaubt.

 

Da sah ich den Himmel wohl offen,

Ach Gott! Kühl hernieder getroffen

Kam die Gnade, die Segensflut,

Da konnte ich endlich auch hoffen,

Auf meines Erlösers Blut.

 

Da sang ich, reich treulich die Hände,

Die Augen nicht vor meinem Ende,

O Schwesterlein von mir

Nur nimmer, nimmermehr wende,

Du, ich, wir sind nun ein Wir

 

Ein Tempel sei wo wir knien,

Ein Glück sei, für das wir glühen

Ein Streit, ein Siegespanier

Ein Gott sei, wohin wir ziehen

Ein Himmel sei dir und mir.

 

So haben wir da wohl gesungen,

Und Hand in Hand da geschlungen

Und Flügel in Flügelpaar

Uns über die Wüste geschwungen,

Die ein Garten voll Segen war.

 

Dies war wohl ein innerlich Sehen

Ein innerlich Auferstehen

In mir selber erwachte der Geist

Die Wüste, das waren die Wehen

In denen mein Leben gekreißt.

 

All was ich verloren, begraben,

All was ich allein, um zu haben

In der heißen Wüste gesucht,

Das soll mich im Geiste nun laben,

In unverbotener Frucht.

 

O Schimmer, o Lichter, o Farben,

O Alle ihr goldenen Garben,

In Duft, in Sonne, im Tau,

Ich schwelge, ich kann nicht mehr darben,

Gott grüß dich mein geistlicher Pfau!

 

Ach Alles, was je ich gewesen

Kann dir in dem Spiegel ich lesen

Kann vor dir in Tränen vergehn,

Kann vor dir in Reue genesen,

Kann mit dir dann auferstehn.

 

Und will dieser Abend verglimmen

Laß höher und höher uns klimmen

Auf Golgatha sinkt keine Nacht,

Es singen da ewige Stimmen

Am Kreuze, nun hab ich vollbracht.



(* 1778-09-09, † 1842-07-28)



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