Der Müller und der Bach


Der Müller:

 

Wo ein treues Herze

In Liebe vergeht,

Da welken die Lilien

Auf jedem Beet;

 

Da muß in die Wolken

Der Vollmond gehn,

Damit seine Tränen

Die Menschen nicht sehn;

 

Da halten die Englein

Die Augen sich zu

Und schluchzen und singen

Die Seele zur Ruh.

 

Der Bach:

 

Und wenn sich die Liebe

Dem Schmerz entringt,

Ein Sternlein, ein neues,

Am Himmel erblinkt;

 

Da springen drei Rosen,

Halb rot und halb weiß,

Die welken nicht wieder,

Aus Dornenreis.

 

Und die Engelein schneiden

Die Flügel sich ab

Und gehn alle Morgen

Zur Erde herab.

 

Der Müller:

 

Ach Bächlein, liebes Bächlein,

Du meinst es so gut:

Ach Bächlein, aber weißt du,

Wie Liebe tut?

 

Ach unten, da unten

Die kühle Ruh!

Ach Bächlein, liebes Bächlein,

So singe nur zu.



(* 1794-10-07, † 1827-10-01)



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