Oden an seinen Eser (4)


Der Städte Raffael ist Neapel, Freund!

Das fühlten wohl Roms alte Tyrannen, das

Des fels′gen Capris Ungeheuer,

Jener bepurpurte blöde Wahnwitz,

 

Der auf vermeß′ner Brücke Puteolis

Meerbusen überschritt, der entmenschte Narr,

Der hier gesungen und gebadet,

Wo er gemordet die eigne Mutter.

 

Doch, ob auch Ischia′s feurige Traube mir

Nektar verheißt, ob auch um Amalfis Fels

Gern meinem Geist in duft′ger Ferne

Dorische Tempel dem Meer entsteigen,

 

Ob auch durchs Schattengrün von Camaldoli

Die Vorgebirg′ und blühenden Inseln all′

Im schönen Elemente schimmern

Und aus dem Berge Gewölk aufwirbelt,

 

Doch treibt′s zurück mich. Wehmuth erfüllt mich schon

Und kind′sche Wonne, denk′ ich die Säulen mir

Der gold′nen Basilik′, an alter

Mauer, am stillen begrünten Platze,

 

Wo an Ramesses thebischem Obelisk

Der Brunnen plätschert, einsame Straßen auch,

Hier Kuppeln in der Abendröthe,

Dort des zertrümmerten Colosseums

 

In Sonnenflammen athmende Riesenwand

Prachtvoll mir zeigen! Trauernde Roma, hier

Der Völker großem Gott, dem ew′gen

Schicksal geheiligt ertönt mein Lied dir.

 

Zweimal hast du mit eiserner Hand die Welt

Gedrückt, Herrschsüchtige, größer als du war nur

Das Schicksal, drum auch zweimal hat′s dir

Strafend entwunden den schweren Scepter,

 

Den Kön′ge, Senatoren, Cäsare einst

Geführt, und unerbittlicher noch zuletzt

Dreifach gekrönte Priester, deren

Heiliger Waffe der Hohenstaufen

 

Großherz′ger Heldenstamm als ein Opfer sank

Der Völkerblindheit, denen die Kaiserhand

Den Bügel hielt, und deren Bannstrahl

Könige stürzte vom Thron der Väter.

 

Ach, sänft′ge nun, o Rom, dein tyrannisch Herz,

Und beuge dich der Zeit. Der gefallene

Herrschgier′ge Engel rang vergebens

Einst mit dem Himmel um seine Krone.

 

Im Grabe deiner großen Auguste, wo

Britannicus ein heuchlerisch Todtenmahl

Geehrt, vergißt in Spiel und Stierkampf

Nun das entartete Volk die Vorwelt.

 

Des Forums Siegesbögen und Tempel, jetzt

Durchzieht sie nur schwermüthiger Mönche Schwarm,

Der Wand′rer nur aus fernen Landen,

Fremd, wie der Römer im eignen Rom ist.

 

Eins bleibt dir noch, der himmlische Genius

Der Kunst ist′s! Freund, drum laß mich, da Andres nicht

Vergönnt ist, einer bessern Zukunft

Thaten und Werke der Muse weihen.



(* 1804-11-21, † 1830-01-17)



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