Lieder der Untreue - Drittes Lied


Ich.

 

Ja, mein Kind, ich fühl′s mit Freuden,

Was du einmal mir gewesen,

Und mit Schmerz und bittrer Rene,

Was du noch mir bist, von allem

Menschlichen bist du das Liebste

Mir, das Göttlichste, von allem

Göttlichen das Menschlichste.

 

Sie.

 

Nur ein einfach schlichtes Wesen

Bin ich, von den hohen Dingen,

Die in deinem Munde schweben,

Bin ich nichts, ja selbst das wen′ge,

Was ich bin, und was ich habe,

Dank′ ich einzig nur der Liebe,

Hab′ ich einzig nur von dir.

 

Ich.

 

Hättest du von mir auch alles,

Kraft und Fülle der Gedanken,

Alles Gold und alle Perlen

Dieser Erde, dennoch hätt′ ich

Höh′res noch von dir, der reinsten

Unerschütterlichsten Liebe,

Und der frömmsten Treue Bild.

 

Sie.

 

Ist′s ein Wunder, daß ich liebe,

Daß ich dir nur leb′ und athme?

Ist′s ein Wunder, wenn das Veilchen

Treu im Sonnenschein sich freuet,

Liebt die Lüfte nicht der Vogel,

Nicht die Biene süßen Honig,

Und das Herz Unsterblichkeit?

 

Ich.

 

Und ich konnte dein vergessen,

Konnt′ im Zauberduft des Südens,

Konnt′ auch in Hesperiens Wollust

Dem Sirenenliede folgen,

Konnte deinem treuen Herzen,

Meinem deutschen Liebchen konnt′ ich

Also lohnen mit Verrath?

 

Sie.

 

Wußt′ ich′s ja, du bleibst mir immer

Bleibest gut, es hat die Einfalt,

Hat mein niedrig Bild, die Schwäche,

Mein befangner Geist der Größe

Deines Roms nicht halten können,

Du vergaßest mich ein wenig,

Denn die Heimat liebst du nicht.

 

Ich.

 

Aber dich! Mein Kind, du hörtest

Schon von alten kühnen Helden,

Daß ein Zauber sie umfangen,

Bradamante schien vergessen,

Und ich bin kein Held, ein Sänger

Bin ich nur, der gern von Helden,

Lieber noch von Liebe singt.

 

Sie.

 

Ach ich armes Kind vermag ja

Keinen Lorbeer dir zu geben,

Nur mit Myrtenkränzen kann ich,

Nur mit Küssen dich beschenken,

Und im Drang nach größern Dingen,

Unter Roms Ruinen denkst du

Freilich nicht ans Liebchen mehr.

 

Ich.

 

Schweifend über Berg und Meere,

Durch der Länder weite Strecken,

Im Geräusch der Städte, Fremden

Stets ein Fremder, lernt′ ich kennen,

Wie ein liebend Herz zu ehren,

Mit der Heimat unversöhnbar,

Was du dem Verbannten bist.

 

Sie.

 

Wär′ ich′s ihm, vor Freude weint′ ich,

Aber was wohl fänd′ er jetzt noch

In dem deutschen Mädchen? Ehre,

Ruhm ist höher dir als Liebe,

Meine Jugend nahmst du längst schon,

Arm ist nur mein Kopf, an Leiden

Und an Lieben reich mein Herz.

 

Ich.

 

O hör′ auf, geliebte Seele,

Mich mit deiner sanften Demuth,

Deiner Herzenskraft und Schöne

Mich vor dir in Staub zu werfen.

Ich verachtete die Menschen,

Treulos nannt′ ich sie, und blieb doch

Einem Engel selbst nicht treu.



(* 1804-11-21, † 1830-01-17)



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