Die Jungfrau unter den Propyläen


Wie wunderbar umfängst mich

Allliebend,

Heiliges Licht?

Aus jungem Grün hebt

Dunkel-einsam, wie ein Geist,

Grau verwittert Gestein,

Säul′ an Säule

Sich empor:

Webt um alte Wölbung

Weich-schwellend, umstrickend,

Wie ein lächelnd Kind

Um den ernsten Vater,

Liebend-innig Epheugeblätter,

Drängt hinan

Flüsternd zu alter Trümmer

Ehrwürdigen Gipfeln:

Und die Sonne faßt

Alllebend, umquillend,

Laubgrün, säulengrau,

Füllet alles,

Mit Liebe, mit Liebe!

Fort drängt mich′s

Im schwellenden Busen!

Ach wohin?

 

Wie du weh′st

Auf luftiger Höh′,

Um Wang′ und Locken,

Lieblicher Wind!

 

Ahnest du, weinest du,

Liebend Herz?

Bist so lauter und mild

In deines Blau′s

Unendlicher Fülle,

Heiterer Himmel!

Alleinig liebt und webt

Und treibt und keimt

Alles, deine Kinder alle,

Die dich schauen, lieben,

Heilige Sonne,

Auge des Himmels,

An der alten Erde

Keuschem, wärmendem Busen.

 

Du bist′s! Du bist′s!

Bildende! Liebende!

Fassest mich, ziehest mich

Ganz zu dir!

 

Hinüber!

Ueber das Hellgrün

Und graue Trümmer,

Ueber Berg und Meer,

Ueber die blauen Inseln!

Hinüber! hinüber!

Ach! verschwimmen

Ganz in dich,

Du heiterer Himmel!



(* 1804-11-21, † 1830-01-17)



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