Ariosto


1.

 

Schwing′ auf den Hippogryphen dich auf, und waffne mit Zauber,

Waffne mit magischer Kraft Sinn und Verstand dir und Geist.

Denn es droht dir die wimmelnde Welt, die begeisterte Willkür,

Tausend Sirenen hinab dich in den Wirbel zu ziehn.

Ist es nicht so, als hätt′ in fantastisch munterer Laune

Gott nur zum Zeitvertreib seinen Planeten gemacht?

Halte dich fest, du verlierest dich selbst; der rasende Dichter

Nimmt dir das Hirn und hinweg setzt es dir′s kühn in den Mond.

Still, mit der alten Mama, der Natur, ihr Gesetz ist vorüber,

Und von Magiern und Feen, zaubernden Todten und Frau′n,

Fliegenden Rossen, krystallnen Kastellen und Wundern des Meeres,

Lanzen und Hörnern und Schild ist sie verlacht und geneckt.

Dennoch öffnet sie zärtlich den Schooß, und die süßesten Blüthen,

Und den unendlichsten Reiz beut sie verschwenderisch dir.

Himmlische Frühlinge wehen dich an, und Jugend und Freude,

Selig melodisch ertönt dir aus den Sternen Musik.

Laß sie kämpfen die Helden, und tausend Lanzen sich brechen,

Sammle zur blutigen Schlacht Karl und der Mohr auch sein Heer,

Dennoch hängt der Dichter die tolle schwärmende Erde

An einen Blumenkranz wie eine Perle dir auf.

 

2.

 

Suchst du die brennendste Gluth der Liebe, die Schönheit der Treue,

Hat Beatrice dir nur Andacht und Schwindel erweckt,

Ist dir auch Laura′s Bild im unendlichen Aether verschwunden,

Ach, so hast du gewiß mit Bradamanten geweint!

Diese Thränen sind süßer als jenes kalte Erstaunen,

Nur wo ein menschliches Herz, fühlest die Liebe du mit.

 

3.

 

Dante′n führte Virgil und die überschwängliche Freundin,

Und in den Tiefen und Höhn droht dir der Athem zu fliehn,

Aber der heitre Humor, der begeisterte, wohnte der holden

Grazie bei, und es kam so Lodovico zur Welt.



(* 1804-11-21, † 1830-01-17)



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