Wohl fühl ich, wie das Leben rinnt


Wohl fühl ich, wie das Leben rinnt,

Und daß ich endlich scheiden muß,

Daß endlich doch das letzte Lied

Und endlich kommt der letzte Kuß.

 

Noch häng ich fest an deinem Mund

In schmerzlich bangender Begier;

Du gibst der Jugend letzten Kuß,

Die letzte Rose gibst du mir.

 

Du schenkst aus jenem Zauberkelch

Den letzten goldnen Trunk mir ein;

Du bist aus jener Märchenwelt

Mein allerletzter Abendschein.

 

Am Himmel steht der letzte Stern,

O halte nicht dein Herz zurück;

Zu deinen Füßen sink ich hin,

O fühl′s, du bist mein letztes Glück!

 

Laß einmal noch durch meine Brust

Des vollsten Lebens Schauer wehn,

Eh seufzend in die große Nacht

Auch meine Sterne untergehn.



(* 1817-09-14, † 1888-07-04)



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