In Hangen und Bangen


1.

 

Ach, daß ich dich so heiß ersehne,

Weckt aller Himmel Widerspruch,

Und jede neue bittre Träne

Macht tiefer nur den Friedensbruch.

 

Der Götter Ohr ist keinem offen,

Der sich zergrämt in banger Nacht, -

Komm Herz, wir wollen gar nichts hoffen

Und sehn, ob so das Glück uns lacht.

 

Vergebnes Mühen, eitles Wollen,

Die Lippe weiß kaum, was sie spricht,

Und, nach wie vor, die Tränen rollen

Mir über Wang′ und Angesicht.

 

2.

 

Du holde Fee, mir treu geblieben

Aus Tagen meiner Kinderzeit,

Was hat dich nun verscheucht, vertrieben,

Du stille Herzensheiterkeit?

 

Leicht trugst du, wie mit Wunderhänden,

Mich über Gram und Sorge fort,

Und selbst aus nackten Felsenwänden

Rief Quellen mir dein Zauberwort.

 

Du, Trostesreichste mir vor allen,

Kehr neu - beflügelt bei mir ein

Und laß dein Lächeln wieder fallen

Auf meinen Pfad wie Vollmondschein.

 

3.

 

»Vertrauen , schönster Stein in Königskronen,

Du Mutter aller Liebe und ihr Kind,

Du einzig Pfühl, auf dem wir sorglos schlummern,

Ich rufe dich, kehr′ wieder in dies Herz!

Es gibt kein Glück, wo du den Rücken wandtest,

Es gibt kein Unglück, lächelst du aufs neu;

Laß kämpfen mich in deinem Spruch und Zeichen,

Und wieder wird das Leben mir zum Sieg.«

 

4.

 

Storch und Schwalbe sind gekommen,

Veilchen auch, die blauen frommen

Frühlingsaugen, grüßen mich;

Aber hin an Lenz und Leben

Zieh′ in Bangen ich und Beben -

Um dich.

 

Ach, um dich! und doch ich fühle,

Träte jetzt die Todeskühle

An mein Herz und riefe mich,

Wie ein Kind dann, unter Jammern

Würd′ ich mich ans Leben klammern -

Um dich.

 

5.

 

Zerstoben sind die Wolkenmassen,

Die Morgensonn′ ins Fenster scheint:

Nun kann ich wieder mal nicht fassen,

Daß ich die Nacht hindurch geweint.

 

Dahin ist alles, was mich drückte,

Das Aug′ ist klar, der Sinn ist frei,

Und was nur je mein Herz entzückte,

Tanzt wieder, lachend, mir vorbei.

 

Es grüßt, es nickt; ich steh′ betroffen,

Geblendet schier von all dem Licht:

Das alte, liebe, böse Hoffen -

Die Seele läßt es einmal nicht.



(* 1819-12-30, † 1898-09-20)



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