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Das Trauerspiel von Afghanistan


Der Schnee leis stäubend vom Himmel fällt,

Ein Reiter vor Dschellalabad hält,

"Wer da!" - "Ein britischer Reitersmann,

Bringe Botschaft aus Afghanistan."

 

Afghanistan! Er sprach es so matt;

Es umdrängt den Reiter die halbe Stadt,

Sir Robert Sale, der Kommandant,

Hebt ihn vom Rosse mit eigener Hand.

 

Sie führen ins steinerne Wachthaus ihn,

Sie setzen ihn nieder an den Kamin,

Wie wärmt ihn das Feuer, wie labt ihn das Licht,

Er atmet hoch auf und dankt und spricht:

 

"Wir waren dreizehntausend Mann,

Von Kabul unser Zug begann,

Soldaten, Führer, Weib und Kind,

Erstarrt, erschlagen, verraten sind.

 

Zersprengt ist unser ganzes Heer,

Was lebt, irrt draußen in Nacht umher,

Mir hat ein Gott die Rettung gegönnt,

Seht zu, ob den Rest ihr retten könnt."

 

Sir Robert stieg auf den Festungswall,

Offiziere, Soldaten folgten ihm all′,

Sir Robert sprach: "Der Schnee fällt dicht,

Die uns suchen, sie können uns finden nicht.

 

Sie irren wie Blinde und sind uns so nah,

So lasst sie′s hören, dass wir da,

Stimmt an ein Lied von Heimat und Haus,

Trompeter blast in die Nacht hinaus!"

 

Da huben sie an und sie wurden′s nicht müd′,

Durch die Nacht hin klang es Lied um Lied,

Erst englische Lieder mit fröhlichem Klang,

Dann Hochlandslieder wie Klagegesang.

 

Sie bliesen die Nacht und über den Tag,

Laut, wie nur die Liebe rufen mag,

Sie bliesen - es kam die zweite Nacht,

Umsonst, dass ihr ruft, umsonst, dass ihr wacht.

 

"Die hören sollen, sie hören nicht mehr,

Vernichtet ist das ganze Heer,

Mit dreizehntausend der Zug begann,

Einer kam heim aus Afghanistan."



(* 30.12.1819, † 20.09.1898)




Bewertung:
4/5 bei 38 Stimmen

Kommentare

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  • Gravatar von Duncker Dr. Martin
    Duncker Dr. Martin | martin.duncker@gmx.dr
    vor 3 Monaten

    Hervorragend, warum lernen nachfolgende Generationen nicht

  • Gravatar von Harlass
    Harlass | harald.harlass@online.de
    vor rund 1 Jahr

    Die Menschen vergessen so schnell und lernen nichts aus der Vergangenheit
    .Wie traurig ist das?

  • Gravatar von Ernst Volker
    Ernst Volker | ernst.hopp@hoppkg.com
    vor rund 2 Jahren

    Wie aktuell - unfassbar -

  • Gravatar von Peter Uhrbach
    Peter Uhrbach | pcuhrnach@web.de
    vor rund 2 Jahren

    In der Monitor-Sendung am 8.11.2001 hat Klaus Bednarz an das Fontane-Gedicht mit dem Satz: „Und nun, wie angekündigt, noch einmal zurück nach Afghanistan“ – vorgetragen von Otto Sander – erinnert und auf die geschichtlichen Fakten seither hingewiesen. Solche und viele ähnliche Warnungen und Hinweise stießen natürlich auf Granit bei Berufs-Ignoranten, denen es beileibe nicht an Verstand fehlt, die einen sehr geschärften haben mit Blick auf das eigene Konto.

  • Gravatar von Ingo Schadt
    Ingo Schadt | ingo.schadt@hotmail.de
    vor rund 2 Jahren

    Das ist eines der holprigsten Gedichte des frühen Fontane.
    Aber mit Afghanistan hat er Recht behalten. Wie so manch andere vor ihm.

  • Gravatar von Kurt Schoppel
    Kurt Schoppel | kurt.schoppel@online.de
    vor rund 2 Jahren

    Man stellt immer wieder fest, Politiker haben nicht viel Verstand, denn hätten sie Verstand, so würden sie nicht so große Fehler machen, wie den Einzug nach Afghanistan, der nur Blut und Tod gebracht hat.
    Verstand kann man nicht kaufen, Geld haben die Politiker genug, aber Verstand ist nicht zu kaufen, entweder man hat ihn, oder man hat ihn nicht.

  • Gravatar von Gisela Völckers
    Gisela Völckers | giselavoelckers@t-online.de
    vor rund 2 Jahren

    War das nicht die Schlacht am Khayberpass? Da hatte nur ein einziger Soldat überlebt. (Leider weiß ich auch mehr, wie diese Pass geschrieben wird?)

  • Gravatar von Hans
    Hans | dorisundhans@arcor.de
    vor rund 2 Jahren

    Ausgezeichnet .Bin begeistert.

  • Gravatar von Manfred Schulenberg
    Manfred Schulenberg | manfred.schulenberg@gmx.de
    vor rund 3 Jahren

    Ein Gedicht mit aktuellem Bezug. Die Russen und Amerikaner hätten vor ihrer Intervention in Afghanistan Fontanes Afghanistan-Erkenntnis beachten sollen. Aber dass wir Deutsche unserem Heimatdichter nicht geglaubt haben und unsere Freiheit am Hindukusch zu verteidigen trachten, ist ein besonders schwerwiegender Irrtum!
    Die dichterische Warnung Fontanes ist mir 5 Stimmen wert.

  • Gravatar von hartmut schlenther
    hartmut schlenther | panketaler13@t-online.de
    vor rund 5,5 Jahren

    klasse gedicht. nur, dummköpfe sind nicht lernfähig und der deutsche imperialismus stirbt nie aus. schlimm ist nur, dass wir millionen kleiner scheißerchen, dem militaristengesindel und ihren politischen marionetten immer wieder unsere kinder für deren abenteuer zur verfügung stellen. ohne armeen aus kleinen leuten müssten sie selber schießen und sterben und das würden sie sich sehr gut überlegen!

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