Der Strauß


Nun nimm drei weiße Nelken du,

mein Weib. Und du. Geliebte, nimm

diese drei roten noch dazu.

Und in die nickenden Nelken tu

ich eine dunkelgelbe Rose.

 

Seht: ist es nicht ein lockender Strauß,

ganz Eins auf diesem schwarzen Tuch?

Und sieht so farbenfriedsam aus.

Und nur von doppeltem Geruch:

die je drei Nelken und die Rose.

 

Nein, laßt! entzweit den Stengelbund

nicht! laßt! Sonst scheint so kalt und tot

bloß Gelb zu Weiß, und glüht so heiß

und brennt so wild bloß Gelb zu Rot;

dann, ja, dann hass′ ich wohl die Nelken!

 

Dann hass′ ich wild das zahme Weiß

und hasse kalt die rote Glut,

wohl bis zur Mordlust! Ja, es tut

mir weh, daß von Geruch und Blut

so reizend gleich sind alle Nelken!

 

Was willst du so entsetzt? Nein, bleib,

Geliebte, nimm, still seh ich zu:

nimm jetzt die weißen Nelken Du!

und die drei roten Du, mein Weib!

und ich die dunkelgelbe Rose.



(* 1863-11-18, † 1920-02-08)



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