Oh wie fühl ich still zu dir hinüber


Oh wie fühl ich still zu dir hinüber,

oh wie gehen mir von deinem Bild

steigende Gefühle flutend über.

Ungeheuer ist mein Herz gewillt.

 

In dem Raume, den ich in mich schaute

aus dem Weltraum und dem Wind am Meer,

gehst du, unbegreifliche Vertraute,

wie sein eigenstes Geschöpf umher.

 

Nun erst schließ ich, ach nach wieviel Zeiten

meine Augen über mir; nun mag

keine Sehnsucht mehr mich überschreiten;

denn vollendeter wird Nacht und Tag.

 

Schau ich aber leise auf, so heilt

mir die Welt am milderen Gesichte -,

oh so war ja doch: daß ich verzichte,

allen Engeln noch nicht mitgeteilt.



(* 1875-12-04, † 1926-12-29)



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