Die Stille


Hörst du, Geliebte, ich hebe die Hände -

hörst du: es rauscht...

Welche Gebärde der Einsamen fände

sich nicht von vielen Dingen belauscht?

Hörst du, Geliebte, ich schließe die Lider,

und auch das ist Geräusch bis zu dir.

Hörst du, Geliebte, ich hebe sie wieder...

...aber warum bist du nicht hier.

 

Der Abdruck meiner kleinsten Bewegung

bleibt in der seidenen Stille sichtbar;

unvernichtbar drückt die geringste Erregung

in den gespannten Vorhang der Ferne sich ein.

Auf meinen Atemzügen heben und senken

die Sterne sich.

Zu meinen Lippen kommen die Düfte zur Tränke,

und ich erkenne die Handgelenke

entfernter Engel.

Nur die ich denke: Dich

seh ich nicht.



(* 1875-12-04, † 1926-12-29)



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