Brief in die Heimat


Was locket ihr, was winkest du

O Vaters Hof und Garten?

Wie darf ich nun in schnöder Ruh

Der stillen Felder warten?

Das wäre mir ein schlechter Ruhm,

An Haus und Gut und Eigenthum

In solcher Zeit zu denken.

 

Mein Preußen, süßes Heimatland,

Du bist mir nimmer ferne,

Du heil′ges Meer, mein Ostseestrand,

Ich grüßt′ euch gar zu gerne:

Wo ich die früh′ste Lust empfand,

Wo mich die erste Liebe band,

Da blüht ein Garten Gottes.

 

Ich ging im Hain, am Bach, ich trank

Die Lust mit vollen Zügen;

Doch andre Zeit bringt andern Drang,

Das konnte mir nicht gnügen.

Viel′ Stimmen in mir klangen laut,

Frisch auf, du junges Blut, die Braut

Von fernher heim zu führen.

 

Und als das Heer der Welschen kam

In jenen finstern Tagen,

Als keiner noch die Waffen nahm,

Die Räuber zu erschlagen,

Mocht′ ich den Jammer nimmer schau′n,

Weit ging ich von der Heimat Au′n,

Dem Rhein die Noth zu klagen.

 

Ich sah ihn, wie er zürnend floß

Und schmählich trug die Bande;

Ich sah auch manch zerfall′nes Schloß

An seinem Felsenstrande.

Da dacht′ ich: Weh′ dir, schnöde Welt,

Wo Kraft und Herrlichkeit zerfällt,

Du liegest recht im Argen.

 

Und aus den grauen Trümmern klang

Der strengen Geister Schelten:

Die Heimat, die in Schutt versank,

Soll dir nicht Alles gelten.

Die alten Steine liegen da,

Der Väter Segen ist euch nah′,

Erbaut euch neue Schlösser.

 

Im hohen Ost, in Moskau stieg

Empor die Oriflamme,

Und alle Völker riefen Krieg

Und Haß dem fremden Stamme.

Da brach hervor aus jeder Brust

Tyrannenhaß und Freiheitslust,

Der alten Väter Leben.

 

O Knabenspiel, o Jugendlust,

Wie mag ich eurer denken?

Jetzt gilt es nur, in Feindesbrust

Den scharfen Speer zu senken.

Zerfallen magst du kleines Haus,

Mit vielen Brüdern zog ich aus,

Ein größeres zu bauen.

 

Ein Haus der Freiheit und des Ruhms,

Der Weisheit, Schönheit, Stärke.

Ein′ Burg des alten Ritterthums,

Ein Rüsthaus jedem Werke,

Das nach dem rechten Ziele strebt,

Ein Haus, in dem der Glaube lebt,

Die Liebe, Zucht und Ehre.

 

Der edlen Stämme sollen viel

In diesem Hause wohnen,

Bei Gottesdienst und Saitenspiel

Ein Herrscher in ihm thronen.

Der Herrlichste der ganzen Welt,

Ein Priester und ein Rittersheld,

Man heißt ihn deutscher Kaiser.

 

In diesem Hause soll ein Quell

Durch Gottes Huld entspringen,

Der wird so rein und silberhell

Durch viele Länder dringen,

Und wo er fließet, blüht ein Strauß,

O Heimat süß, o Vaterhaus,

Euch alle wird er laben.

 

Kehrt′ ich nun heim, ein halber Mann,

Eh′ ganz das Werk vollzogen,

So sähen mich wol fragend an,

Die früher mir gewogen.

Ich selber fühlte mich verbannt,

Die alten Bilder an der Wand,

Ich dürfte sie nicht grüßen.

 

Doch was ich denke, was ich sinn′,

O Heimat ist dein eigen,

Daß ich dein treuer Kämpfer bin,

Soll Schwert und Zither zeigen.

Es kommt ein Jahr, es kommt ein Tag,

Daß ich dich wieder sehen mag,

Das wird mir Freude geben.

 

Und fänd′ ich nimmer mein Quartier,

Wär′ anders mir gesponnen,

Vielleicht aus schönen Wunden mir

Das heiße Blut entronnen;

Auch noch im Grabe bin ich dein,

Man soll auf meinem Leichenstein

Von meinem Lande lesen.

 

Du heil′ges Meer, du stiller Strand,

Auch fern euch zu gehören,

Mein Heimatland, mein Preußenland,

Mag ich mich kühn verschwören.

Mein Volk, du bist zuerst erwacht

So fest und freudig in der Schlacht,

O Volk zu Gottes Ehre.



(* 1783-12-11, † 1817-12-11)



Weitere gute Gedichte von Max von Schenkendorf zum Lesen.