Am Rhein


Den 26. October 1814.

 

Ich bin herausgekommen,

Von Worms, der alten Stadt,

Ich habe wohl vernommen,

Daß es gerufen hat.

 

Am Ufer dort, am rechten,

Erscheint ein Mädchenpaar;

Da weht in langen Flechten

Ein goldnes Lockenhaar.

 

Und hier am grünen Flusse

Die Stadt so wonnesam,

Zu der mit mildem Gruße

Der milde Siegfried kam.

 

Was hat mich denn gezogen?

Was klang in ferner Luft?

O meldet, liebe Wogen,

Wo ist Sie, die mich ruft?

 

Nicht hüben und nicht drüben,

Von unten klingt′s herauf;

Das Wünschen und das Lieben

Nimmt hier nur tiefen Lauf.

 

Du hast es ja gehöret

Das Lied nach weiser Kunst,

Wie Siegfried ward bethöret

Von süßer Frauengunst.

 

Um holden Schatz zu werben

Kam er mit seinem Schatz,

Zu werben und zu sterben

Kam er an diesen Platz.

 

Tief unten in dem Grunde,

Am feuchten, kühlen Ort,

Da ruht noch diese Stunde

Der Nibelungenhort.

 

So fließet nun ihr Wellen,

Und deckt ihn ferner zu,

Wenn Herzen sehnend schwellen,

Singt sie in stille Ruh.

 

Ich trag′ ihn fort im Herzen

Den rechten treuen Schatz,

Da finden Lust und Schmerzen

Für lange Jahre Platz.

 

Mich wird sie nicht verderben

Die süße Frauengunst,

Doch gerne will ich sterben

In heil′ger Liebesbrunst.



(* 1783-12-11, † 1817-12-11)



Weitere gute Gedichte von Max von Schenkendorf zum Lesen.