Till, der Holzhacker


Zur Erläuterung der neuen philosophischen Methode:

die Reinheit in unsre Willkür aufzunehmen

 

Till hackte Holz auf Mord und Brand,

(Der Mond am Himmel vor ihm stand)

Husch auf, husch kräftig nieder;

Da fuhr ihm’s Beil, bei Ja und Nein,

Vom Schaft, und in den Mond hinein,

Hinein, und kam nicht wieder.

 

»Feirabend«, sprach Till, »alleweil!

Denn hack mir einer ohne Beil,

Koch’ einer ohne Kohlen! –

Weil Till denn ohne Beil nichts kann;

So muß er, halter, wohl daran,

Und muß es wieder holen.«

 

Gesagt, getan. Er geht zur Stund

Und nimmt die Leiter von der Wand,

Wirft von sich Hut und Mütze,

Und stellt die Leiter frank und frei

Vor sich hin, und – und, ein zwei drei,

Bis oben auf die Spitze.

 

Da saß er, sah zum Mond hinan;

»Noch«, sagt er, »bin ich nicht daran,

Doch vivat meine Leiter!«

Und drehete, so wie er saß,

Sie um, als wie ein Stundenglas,

Und stieg allmählig weiter.

 

So fuhr er fort: bald ruht er sich,

Dann dreht’ er wieder um und stieg,

Und stieg und drehte wieder;

Und kam, nachdem er’s OFT getan,

Im Monde wohlbehalten an,

Und setzte sich dort nieder.

 

Der Mond ist groß, ein wüster Ort,

Und mancher sucht vergebens dort;

Till’n sollte alles glücken.

Er ging kaum drei vier Schritte weit,

So lag das Beil da groß und breit;

Und er steckt’s in die Ficken.

 

Uns andern würd’s in solcher Höh

Wohl schwarz vor Augen, angst und weh;

Doch Till blieb keck und munter.

Er witterte nicht Furcht noch Fahr,

Und, wie er aufgestiegen war,

So stieg er auch herunter.

 

Das Ding war also abgemacht;

Indes war es nun Mitternacht,

Und ihn fings an zu grauen.

Da macht’ er ’s Beil geschwinde fest

Am Schaft, und lief damit zu Nest,

Und sagt’ es seiner Frauen.



(* 1740-08-15, † 1815-01-21)



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