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Abendlied


Der Mond ist aufgegangen,

Die goldnen Sternlein prangen

Am Himmel hell und klar;

Der Wald steht schwarz und schweiget,

und aus den Wiesen steiget

Der weisse Nebel wunderbar.

 

Wie ist die Welt so stille

Und in der Dämmrung Hülle

So traulich und so hold!

Als eine stille Kammer,

Wo ihr des Tages Jammer

Verschlafen und vergessen sollt.

 

Seht ihr den Mond dort stehen? -

Er ist nur halb zu sehen

Und ist doch rund und schön!

So sind wohl manche Sachen,

Die wir getrost belachen,

Weil unsre Augen sie nicht sehn.

 

Wir stolze Menschenkinder

Sind eitel arme Sünder

Und wissen gar nicht viel;

Wir spinnen Luftgespinste

Und suchen viele Künste

Und kommen weiter von dem Ziel.

 

Gott, laß uns dein Heil schauen,

Auf nichts Vergänglichs trauen,

Nicht Eitelkeit uns freun!

Laß uns einfältig werden

Und vor dir hier auf Erden

Wie Kinder fromm und fröhlich sein!

 

Wollst endlich sonder Grämen

Aus dieser Welt uns nehmen

Durch einen sanften Tod!

Und, wenn du uns genommen,

Laß uns in Himmel kommen,

Du unser Herr und unser Gott!

 

So legt euch denn, ihr Brüder,

In Gottes Namen nieder;

Kalt ist der Abendhauch.

Verschon uns, Gott! mit Strafen,

Und laß uns ruhig schlafen!

Und unsern kranken Nachbar auch!



(* 15.08.1740, † 21.01.1815)




Bewertung:
4/5 bei 14 Stimmen

Kommentare

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  • Gravatar von Michael Nelting
    Michael Nelting | michael-nelting@gmx.de
    vor rund 1,5 Jahren

    Die Angst vor der Nacht: sie überfällt zum einen kleinere Kinder, kann aber auch ältere kranke Menschen betreffen, wie die letzte Zeile verdeutlicht. In dem Gedicht wird Gott angerufen, um Schutz zu gewähren. Es können Kindern natürlich auch Phantasiefiguren ausgemalt werden, die über das Böse erhaben sind. Aber was gibt dem erwachsenen Menschen Sicherheit? Wie immer man zu Gott steht, es sollte der Tod reflektiert werden.

  • Gravatar von Albrecht Meyer
    Albrecht Meyer | panzermeyer@gmx.net
    vor rund 1,5 Jahren

    5 St erne