Ode I. Galathee.


Coridon der gieng betrübet

An der kalten Cimbersee /

Wegen seiner Galathee /

Die er vor so sehr geliebet /

Die jhm vor so sehr behagt

Eh′ er ward von jhr verjagt.

Seit daß ich hinweg bin kommen /

Seit daß wir geschieden seyn /

Sang er / hat deß Mondens schein

Viermal ab vnd zugenommen:

Galathee / so lange Zeit

Bin ich von dir allbereit.

Nun du wirst dich noch besinnen

Daß ich bey dir gantz vnd gar

Fuß zu halten willens war /

Vnd auch kaum gesegnen können:

Rawe Heidelberg mich sehr /

Du viel tausend mal noch mehr.

Galathee / ich were blieben /

Vngeschewt der Kriegesnoth;

Der verlacht Gefahr vnd Tod

Welcher trewlich pflegt zu lieben:

Aber es ist dir wol kundt

Daß es gar bey mir nicht stundt.

Ich zoh hin von meinen Schaffen /

War auch schon biß an den Mayn;

Doch es wolte gantz nicht seyn /

Ich vermochte nicht zu schlaffen /

Biß ich wieder zu dir kam /

Vnd noch einmal Abschied nahm.

Dann must′ ich / was solt ich machen?

Wieder auff mein Franckfurt zu:

Tityrus der sprach: wie nu?

Wie stehts jetzund umb die Sachen?

Mich bedüncket gantz vnd gar /

Daß dir vor viel besser war.

Tityrus ist recht gewesen;

Ich ward jmmer ärger kranck:

Thyrsis gab′ mir einen Tranck /

Ob ich köndte so genesen;

Aber alle Kräuterkunst

War vergebens vnd vmbsunst.

Keiner Müh′ hab′ ich geschonet /

Schifft′ hin in das Niederlandt;

Leyden wird die Stadt genanndt /

Da der grosse Daphnis wohnet;

Daphnis der berümbte Mann /

Der so trefflich spielen kan.

Ich kam zu jhm / wolte singen

Wie zu Heidelberg vorhin:

Nein / es schlieff mir Muth vnd Sinn;

Alle Worte must′ ich zwingen.

Bloß mein Schatten gieng allhier /

Ich war nirgend als bey dir.

Doch er ließ es jhm gefallen /

Sagte: wol mein Coridon /

Fahre fort; dein guter Thon

Kan noch weit vnd breit erschallen:

Es war aber nicht vor mich;

Ich gedachte nur an dich.

Bin ich vnten oder oben /

Es gilt alles eben viel /

Vnd was hilfft es das mein Spiel

Alle die es hören loben /

Du hergegen / O mein Liecht /

Die ich lobe hörst es nicht?

Nachmals kam ich zu den Friesen /

Sah′ ihr schönes Vieh da stehn /

Vnd im feisten Grase gehn /

Vnd die Lämmer auff den Wiesen:

O wie wol ist doch daran /

Sprach ich / der so leben kan!

Nun ich wil euch gar nicht neiden /

Ja ich wüntsche noch darzu

Daß jhr lange Zeit in Rhu /

Liebe Hirten / möget weiden.

Aber ich hier vnbekandt

Flieh′ anjetzt mein Vatterlandt.

Jhr köndt singen bey den Quellen /

Daß man höret weit vnd breit

Von der schönen Freundligkeit

Das gestade Wiederschellen:

Ich muß singen auff der See:

Wo ist meine Galathee?

O wie bistu so verdrungen!

Wo ist jetzt die Herrligkeit /

Corydon / wie vor der Zeit?

Nun sing wie du vor gesungen:

Galathee / bey dir allein

Wil ich jetzt vnd jmmer seyn.

Geh′ jetzund hin zu dem Brunnen /

Da deß Wolffes strenge Macht

Mutter Jetten vmbgebracht /

Da sich offtes durch der Sonnen

Heisse Stralen angeregt

Galathee zu dir gelegt;

Da sie dich mit vielen Küssen

In die weissen Armen schloß;

Da du in der zarten Schoß

Deine Lust recht kondtest büssen:

Aber jetzt / O Corydon /

Ach wie weit bistu darvon!

Nun wir haben es erlebet /

Was du / Gott / verhangen hast /

Daß bey vns ein frembder Gast

Auff den schönen äckern gräbet:

Was wir haben außgestrewt /

Wird von andern abgemeyt.

Wol dem der sein Feld kan bawen /

Lieben Schäffer / gleich wie jhr /

Darff sein Leben nicht mit mir

Nur dem blossen Winde trawen:

Jhr habt ewer Vattergut /

Ich muß auff die wüste Flut.

Nach dem hin vnd wieder ziehen

Kam ich endlich doch hieher /

Galathee / weit vber Meer:

Weiter kan ich nun nicht fliehen;

Weiter fliehen kan ich nicht /

Weil mir Wind vnd See gebricht.

Wo die Schiffe vor geflossen /

Da liegt scharffes Eiß vnd Schnee.

Dieses Vfer da ich geh

Hat der Winter gantz verschlossen;

Vor der grünen Felder Lust

Ist hier lauter Reiff vnd Frost.

Nun ich wolte gerne leiden

Was ich immer leiden soll;

Ja / mir were gantz so wol /

Wann ich dich nicht dörffte meiden:

Alle Trawrigkeit vnd Pein

Fühl ich nur von wegen dein.

Alle Nacht pflegt mir zu träumen

Wie ich bey dem Necker sey /

Wie ich aller Sorgen frey

Bey den rauchen Kestenbäumen

Mit dir / liebe Galathee /

Oepffel auff zu lesen geh.

Dein Verstand vnd kluge Sinnen /

Die mir meine liessen nicht /

Deiner schönen Augen Liecht /

Die ich muste lieb gewinnen /

Deiner roten Lippen Ziehr

Sind ohn vnterlaß allhier.

Gantz verstarret vnd erfroren

Durch den Schnee vnd strengen Nort

Jrr′ ich offters vmb den Port /

Ruffe dir die ich verlohren.

O vergebens / Corydon /

Sie ist allzuweit hiervon.

Täglich geht die Sonne nieder

Steht auch täglich wider auff /

Vnd helt jhren alten Lauff;

Aber wann seh′ ich dich wieder?

Ach / wie weit ist doch der Tag /

Daß ich dich vmbfangen mag!

Manches Land muß ich noch sehen /

Vnd mich lassen hin vnd her

Durch das weite wilde Meer

Manche rauhe Winde wehen /

Eh′ ich / reicht mir Gott die Hand /

Schawen kan mein Vaterland.

Vnterdessen meine Frewde /

Galathee gehab dich wol /

Biß ich / wo ich leben soll

Weit von Trawren vnd von Leide

Bey den meinen vnd bey dir

Bleiben werde für vnd für.

Dieses Vfer wil ich haben;

Galathee in deiner Schoß

Kan ich werden frey vnd loß;

Hier wil ich mein Leyd vergraben:

Hier soll weit von Angst vnd Pein

Meiner Reise Ruhstadt seyn.

Also sang er / daß die Wellen

Vnd das Vfer an der See

Galathee / O Galathee /

Sämptlich muste wiederschellen /

Biß die Abendröthe kam /

Vnd die Nacht den Tag weg nahm.



(* 1597-12-23, † 1639-08-20)



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