Sünde


(Gemälde von Franz Stuck)

 

Allein die Sünde ist unendlich reich ... (Loris.)

 

... Ein weißes Weib lehnt in den dunklen Falten

Mit steinig weißen, grau′nhaft schönen Gliedern,

An die sich gleißend eine Schlange schmiegt ....

Mit bleichem, sündhaft schönem Antlitz ...

Aus seinen Zügen leuchtet, blaßroth schwellend,

Ein wundersüßer Mund, der vieles sagt,

Und lächelnd ... viel verschweigt ...

In ihrem Aug′, dem trunk′nen, zaubertiefen,

Brennt sehnsuchtsfeucht ein Blick, der lockt und fängt

Und schmeichelnd kost und tödlich wundet

Und glühendheiß macht und den Sinn verwirrt ...

Wer bist du, seltsam Weib?

Was glüht in deinen Lippen?

Was rauscht sirenengleich

Aus deiner Augen Meer?

»Mein Name ist der älteste hienieden.

Ich bin im Hauch der starren Tuberose,

Der schweren, die in weißen Gluten brennt ...

Ich bin, wo tolle Rhytmen wirbeln

Und Menschen lachend sich dem Klang hingeben

Und sinnberauschet in den Tod sich wirbeln ...

In allem Dufte, der dich trunken macht

Und süß zu Tode küßt und duftet ...

Bin im Accord, der brausend dich durchflutet,

Und deine Seele streichelt und zerreißt,

Dich elend macht und doch unsagbar glücklich!

Mein Reich ist, wenn der silberweiße Mond

Sein schimmernd Gift in Erdenwunden hinweint,

Und Lieb′ und Wahnsinn durch die Lüfte rasen ...

In blassen schönen Frau′n kannst du mich fühlen.

Ich weh′ als Athem in des Mundes Gluten,

Ich zuck′ in ihrer Hand, die dich erbeben macht ...

Ich bin im Duft der weichen Frauenhaare

Und hab′ an ihrer Brust, der kalten, dich durchfröstelt

Und fiebre in dem Kuß, der dir das Herz versengt ...

Komm′, komm′ zu mir! Ich weiß ein schönes Märchen

Und weiß, dein Herz ist krank ... ich küsse dich gesund!

In meinem Arm ist seliges Verbluten ...

Komm′, komm′ zu mir! Ich weiß ein schönes Märchen ...



(* 1877-04-27, † 1897-02-03)



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