Der Seiltänzer


Er geht. Die schräge Stange trägt ihn linde.

Der Himmel schlägt um ihn ein Feuerrad.

Ein Lächeln fällt von einem mageren Kinde,

Und an dem Lächeln wird die Mutter satt.

 

Ein jeder fühlt sich über sich erhaben

Und tänzelt glücklich auf gespanntem Seil.

Die Menschen wimmeln braun wie Küchenschaben,

Und sind dem Blick der Höhe wehrlos feil.

 

Dort unten hockt in schmutzigen Galoschen

Das Niedere und Gemeine, und es hebt

Die Stirn zur Höhe für zwei povre Groschen,

An denen feucht der Schweiß des Werktags klebt.



(* 1890-11-04, † 1928-08-14)



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