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Als sie zur Mittagszeit noch schlief


Für Carola Neher

 

Zwar es ist schon Mittagszeit,

Sonne steht schon hell am Himmel -

In den Straßen: welch Gewimmel,

In den Herzen: welches Leid -

Manches Segel bauscht der Wind,

Mancher Kutter bleibt im Hafen -

Du sollst schlafen, du sollst schlafen,

Du sollst schlafen, liebes Kind.

 

Siebzigmal littst du Haitang,

Fünfzigmal starbst du Johanna -

Schmecktest Süßigkeit und Manna,

Wenn der Quell der Qualen sprang.

Süßes, junges Blut - es rinnt -

Küsse, Dolche flammten, trafen -

Du sollst schlafen, du sollst schlafen,

Du sollst schlafen, liebes Kind.

 

Einmal endet sich das Spiel,

Einmal endet sich das Grausen,

Und die Ewigkeit wird kühl

Dir um Brust und Schläfen sausen.

Sand deckt dich wie Wolle lind,

Und der Hirte bläst den Schafen -

Du sollst schlafen, du sollst schlafen,

Du sollst schlafen, liebes Kind.



(* 04.11.1890, † 14.08.1928)




Bewertung:
5/5 bei 3 Stimmen

Kommentare

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  • Gravatar von Melchert
    Melchert | uwe.melchert@web.de
    vor rund 1 Jahr

    Da ist der früh wachwerdend und dichtende Poet, der seiner Frau, der Schauspielerin, die lange Theaternacht gönnt und sie ausschlagen lässt und ihr diese schönen Verse widmet! Eindrucksvoll!!