Rhode


Rhode hieß die fromme Magd,

Welche mit erstauntem Ohre

Petri Stimme hört am Thore,

Da sie, wer da klopfe, fragt;

Läßt vor Schreck ihn ausgeschlossen,

Wo sein Haar von Nachtthau tropft,

"Petrus steht am Thor und klopft!"

Meldet sie den Hausgenossen.

 

"Träumst du?" ruft man drinnen aus,

"Liegt er nicht im Thurm gebunden?

Oder hat er überwunden?

Meldet sich sein Geist am Haus?"

Doch sie trauet ihrem Ohre:

"Wieder klopft es, kommt und seht!"

Und man zaudert, schaudert, geht, —

Sieh da, Petrus steht am Thore!

 

Rhode hieß die fromme Magd;

Wenig gilt sie vor den Leuten,

Wenig will ihr Dienst bedeuten,

Dennoch wird ihrs nachgesagt;

Wer dem Herrn und seinen Lieben

Je gedient in Lieb und Treu,

Obs ein Becher Wassers sei:

Droben bleibts ihm gutgeschrieben.

 

Mancher Name, stolz und hehr,

Dessen Schall die Welt durchdrungen,

Ist verschollen und verklungen,

Keine Zunge nennt ihn mehr;

Doch die Magd, die namenlose,

Bleibt genannt im Buch des Herrn,

Lebt in alle Zeiten fern,

Eine immerblüh′nde "Rose." —

 

Blüht noch wo in Stadt und Land

Still und arm, versteckt im Moose,

Eine solche fromme Rose,

Ungenannt und unbekannt,

Eine Magd, die ohne Klage

Wasser trägt und Feuer schürt,

Schuhe putzt, den Besen führt,

Früh am Morgen, spät am Tage:

 

Röschen, blühe fröhlich fort!

Zählst du hier auch zu den Kleinen:

Kennet doch der Herr die Seinen;

Hier der Schweiß, der Sabbat dort!

Diene fort mit heitern Mienen,

Dir auch glänzt ein Gnadenstern,

Selig ist′s, als Magd des Herrn

Gott und Gottes Freunden dienen!



(* 1815-01-30, † 1890-01-14)



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