Die Heimat


An meinen Bruder

 

Denkst du des Schlosses noch auf stiller Höh?

Das Horn lockt nächtlich dort, als obs dich riefe,

Am Abgrund grast das Reh,

Es rauscht der Wald verwirrend aus der Tiefe -

O stille, wecke nicht, es war als schliefe

Da drunten ein unnennbar Weh.

 

Kennst du den Garten? - Wenn sich Lenz erneut,

Geht dort ein Mädchen auf den kühlen Gängen

Still durch die Einsamkeit,

Und weckt den leisen Strom von Zauberklängen,

Als ob die Blumen und die Bäume sängen

Rings von der alten schönen Zeit.

 

Ihr Wipfel und ihr Bronnen rauscht nur zu!

Wohin du auch in wilder Lust magst dringen,

Du findest nirgends Ruh,

Erreichen wird dich das geheime Singen, -

Ach, dieses Bannes zauberischen Ringen

Entfliehn wir nimmer, ich und du!



(* 1788-03-10, † 1857-11-26)



Weitere gute Gedichte von Joseph von Eichendorff zum Lesen.