An einen Freund zu Hausen


bei Übersendung der alemannischen Gedichte

Hoch von der langen schwarzen Möhr herab,

vom Platzberg her, auf wohlbekanntem Pfad,

erschein ich dir, o Freund, den Blumenkranz

dir bringend, den ich jüngst in Wald und Flur

und von der Wiese duftigem Gestad,

und um die stillen Dörfer her gepflückt.

Zwar nur Gamänderlein und Ehrenpreis,

nur Erdbeerblüten, Dolden, Wohlgemut

und zwischendurch ein dunkles Rosmarin,

geringe Gabe. Doch so gut sie kann,

hat lächelnd und mit ungezwungner Hand

des Feldes Muse sie in diesen Kranz

gewunden; und der reine Freundessinn,

der dir ihn bietet, sei allein sein Wert.

Und hing er nun hier unterm Spiegel schön,

so schwankt er schöner doch am Lindenast

in freier Weitung, leichter Weste Spiel.

Dort schwank er denn! Und sammelt um sich her

die Linde unterm Sonntagshimmelblau

das frohe Völklein aus dem nahen Dorf,

das gute Völklein, das dich liebt und ehrt,

und unter ihnen mancher mir von Blut

verwandt und mancher aus der goldnen Zeit

der frohen Kindheit mir noch wert und lieb,

so teilst du gern des kleinen Spaßes Freuden

mit ihnen. "Seht, zu diesem leichten Strauße",

so sagst du, "sind die besten Blümlein doch

von unsrer Flur und unser Eigentum

mit Recht." - jo weger, uf em Alzebüehl,

jo weger, uf em Maiberg henn si blüeiht;

un bin i nit im frische Morgetau

dur d’Matte gstraift un über d’Gräbe gumpt?

Un han i nit ab menggem hoche Berg

mit nassen Augen abegluegt ins Dorf-

un han ich Frid un gueti Stunde gwünscht?

`s isch weger wohr; un glaubsch mer’s nit, se froog

der Bammert; menggmool het er mi verscheucht

im Habermark un im verhängte Wald.

Se bschauet denn my Bluemechränzli au

am Lindenast, un’s freut mi, wenn’s ich gfallt;

un nemmet so verlieb; es isch nit viil!



(* 1760-05-10, † 1826-09-22)



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