Im grünen Walde steht ein alter Baum
So wie versenkt in schmerzliche Gedanken;
Sein Frühling schwand,— nur wie ein Jugendtraum
Umarmen seinen Stamm noch grüne Ranken.
Ihn rühren nicht mit ihrem hellsten Gang
Der Frühlingssänger jubelvolle Lieder,
Und auf des Baches frohen Wellendrang
Sieht ungerührt der alte Träumer nieder.
Er mag nicht blühen mehr — kaum daß er grünt,
Die Zeit hat ihm das Mark schon ausgesogen,
Sein Geist, der oft des Winters Schuld gesühnt,
Ist längst als Duft ins All dahingeflossen.
Du alter Baum! was blickst du so voll Gram
Auf all die Rosen rings im grünen Thale,
Warum willst du nur, wenn der Frühling kam,
Dich nicht vermälen mit dem Sonnenstrale!
Verjünge dich im kühlen Morgenthau,
Erstarke in des Waldbächs klaren Wellen,
Und blicke auf ins milde Himmelblau,
Und lasse dich von Stürmen nicht zerschellen!
Da rauscht es durch die Zweige wunderbar
Mit geisterstillem, märchenhaftem Klingen,
Und ans dem Baume hörte ich es klar
Mit leisen Tönen mir entgegensingen:
Ich bin ein Zeuge der Vergangenheit!
Derselbe Sturm, der in verklungnen Tagen
Die Asche deiner Väter hat zerstreut
Hat meinen Keim an diesen Ort getragen.
Mit grüner Lust trieb ich zum Himmelsraum,
Umkost von Lüftchen und von Nachtigallen,
Auch ich erträumte meinen Frühlingstraum
In schattenkühlen, grünen Blätterhallen.
In meines Dunkels stiller Einsamkeit
Hat manches Vöglein sich ein Lied ersonnen,
Und manches Herz hab ich zur Lieb geweiht,
Wenn ich es still mit meinem Grün umsponnen.
Ich wuchs heran, ich wurde groß und stark,
Da fühlt ichs heiß durch meine Adern dringen,
Ich jauchzte schon, daß meiner Aests Mark
Ein kühner Arm als Lanze würde schwingen.
Ich sah entzückt schon meiner Zweige Grün
Als Siegesschmuck in kampfgeweihten Händen,
Und meiner Krone traumerfülltes Blühn
Dem schönsten Kränze Duft und Blüte spenden.
Ich armer Baum! Ich träumte mir ein Glück,
Das Tausenden im Walde zugefallen, —
Nur mich allein ließ man im Schmerz zurück,
Als Sarg nicht einmal durfte ich zerfallen.
Und nicht einmal, in Stöcke klein zersägt,
Dürft ich ein Kämmerlein mit Glut erwärmen,
In dem ein müdes Haupt sich träumen legt,
Um auszuruhen von des Tages Lärmen.
Und ich erhebe, tief in Schmerz getaucht,
Zum Himmel meiner Zweige dürre Arme,
Daß sich ein Blitz, in dem mein Geist verraucht,
Des morschen Baumes im grünen Wald erbarme!