Swer mir schade an mîner frouwen


I

Swer mir schade an mîner frouwen,

dem wünsche ich des rîses,

dar an die diebe nement ir ende.

swer mîn dar an schône mit trouwen,

dem wünsch ich des paradyses

unde valde im mîne hende.

vrâg ieman, wer si sî,

der bekenne si dâ bî:

ez ist diu wolgetâne.

genâde, frouwe, mir

der sunnen gan ich dir,

sô schîne mir der mâne.

 

II

Swie mîn nôt gefüeger waere,

sô gewünne ich liep nach leide

und fröide manichvalde,

wan ich weiz vil liebiu maere:

die bluomen entspringent an der heide,

die vogel singent in dem walde.

dâ wîlent lac der snê,

dâ stât nu grüener klê,

er touwet an dem morgen.

swer nu welle, der fröiwe sich,

nieman noet es mich:

ich bin unledic von sorgen.

 

 

--

 

Übersetzung:

 

I

Jedem, der mir bei meiner Dame schadet,

dem wünsche ich den Strick,

an dem die Diebe ihr Ende nehmen.

Jedem, der mich bei meiner Dame vor Schaden liebevoll bewahrt,

dem wünsche ich das Paradies

und falte meine Hände zum Gebet für ihn.

Wenn jemand fragt, wer meine Dame sei,

der möge sie daran erkennen:

Sie ist die Schönheit selbst.

Gnädig, Herrin, sollst du mir sein -

dir gönne ich den Sonnenschein;

für mich reicht der Mond.

 

II

Wenn meine Qualen nur ein bisschen kleiner wären,

dann würde ich nach dem Leid was Angenehmeres suchen

und allerhand Freuden,

denn ich weiß von sehr angenehmen Neuigkeiten:

Die Blumen sprießen auf der Wiese,

die Vögel singen im Wald.

Wo vor kurzem Schnee lag,

da steht nun grüner Klee im Rasen,

mit Tau bedeckt am Morgen.

Jeder, der will, der kann sich jetzt freuen,

mich möge niemand dazu nötigen:

Ich habe Sorgen.



(* 1150-00-00, † 1195-00-00)



Weitere gute Gedichte von Heinrich von Veldeke zum Lesen.