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Die feinen Ohren


(Meiner Mutter)

 

Du warst allein,

ich sah durchs Schlüsselloch

den matten Schein

der späten Lampe noch.

 

Was stand ich nur und trat nicht ein?

Und brannte doch,

und war mir doch, es müßte sein,

daß ich noch einmal deine Stirne strich

und zärtlich flüsterte: Wie lieb′ ich dich.

 

Die alte böse Scheu,

dir ganz mein Herz zu zeigen,

sie quält mich immer neu.

Nun lieg′ ich durch die lange Nacht

und horche in das Schweigen -

ob wohl ein weißes Haupt noch wacht?

 

Und einmal hab′ ich leis gelacht:

Was sorgst du noch,

sie weiß es doch,

sie hat gar feine Ohren,

ihr geht von deines Herzens Schlag,

obwohl die Lippe schweigen mag,

auch nicht ein leiser Ton verloren.



(* 11.01.1853, † 08.02.1916)




Bewertung:
5/5 bei 4 Stimmen

Kommentare

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  • Gravatar von Albert E. Lang-junior
    Albert E. Lang-junior | albert-e.lang@gmx.de
    vor rund 1 Jahr

    Ja, wirklich ein wunderschönes Gedicht das den Wert tiefer liebevoller Beziehungen aufzeigt be###t macht. Danke.

  • Gravatar von Ralph
    Ralph | ralph.walfort@gmx.de
    vor rund 2 Jahren

    Ein wunderschönes Gedicht, romantisch und der Mutterrolle ein gerechtfertigtes Denkmal setzend!