Liebe ohne Heimat


Meine Liebe, lange wie die Taube

Von dem Falken hin und her gescheucht,

Wähnte froh, sie hab′ ihr Nest erreicht

In den Zweigen einer Götterlaube.

 

Armes Täubchen! Hart getäuschter Glaube!

Herbes Schicksal, dem kein andres gleicht!

Ihre Heimat, kaum dem Blick gezeigt,

Wurde schnell dem Wetterstrahl zum Raube.

 

Ach, nun irrt sie wieder hin und her!

Zwischen Erd′ und Himmel schwebt die Arme,

Sonder Ziel für ihres Flugs Beschwer.

 

Denn ein Herz, das ihrer sich erbarme,

Wo sie noch einmal, wie einst erwarme,

Schlägt für sie auf Erden nirgends mehr.



(* 1747-12-31, † 1794-06-08)



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