Der Wein


Du brausender und frischer Most,

Du gährend Mark der milden Reben,

Des Herbstes Ehre, Götterkost!

Mein Lied will deinen Ruhm erheben.

O feuerreicher Traubensaft!

Gib meinen Worten deine Kraft,

Laß sie, wie du, ans Herze dringen,

Und, weil dein Einfluß und dein Geist

Dem Witze Muth und Glück verheißt,

Auch mich von deinen Wundern singen.

 

Du bist, o Wein! dem Einfall hold

Und weckst den Scherz belebter Flöten.

Wie reich sind durch dein trinkbar Gold

Die Zungen singender Poeten!

Mich däucht, ich sehe den Homer

Zu jeder Schlacht, für jedes Heer

Sich zechend seine Helden wählen.

Dir muß ein Flaccus günstig sein;

Ihm schickt Falern und Alba Wein.

Wie konnt′ es ihm an Liedern fehlen?

 

Nichts übertraf an Streitbarkeit

Der Dardaner, der Griechen Schaaren,

Die, nur im Weindurst unentzweit,

Verehrer des Lyäus waren.

Auch unsrer Väter Beispiel lehrt,

Wie sehr er Muth und Sieg vermehrt.

Ihn trinken Franken und Teutonen,

Der Sachsen und der Schwaben Schwarm.

Der Wein, der Wein stärkt ihren Arm,

Und dieser stürzet Legionen.

 

Tuistons Enkel, deren Ruhm

Die ewigen Geschichte melden,

Auf! sehet euer Eigenthum,

Auf! auf! Gebeine deutscher Helden.

Verlaßt die Hügel eurer Gruft,

Erhebt euch; suchet Sonn′ und Luft!

Euch wollen Rhein und Mosel winken.

Sie heißen euch nach alter Zeit,

Treu′, Anschlag, Wahrheit, Tapferkeit

In ihrer Trauben Blute trinken.

 

Den Götterdienst, den Kriegesrath

Muß oftgeprüfter Wein beleben.

Fürst, Barde, Feldherr und Soldat,

Wer liebte nicht die edlen Reben?

Ja, alles ist der Wein bei euch:

Ihr opfert und ihr trinkt zugleich.

Dort liegt der Wurfspieß und die Keule.

Ihr tanzt um Wodans Blutaltar,

Wälzt euch, wo Hertha heilig war,

Und taumelt um die Irmensäule.

 

Fürst Hermann ficht und Varus weicht

Und sucht vergebens offne Felder;

Der Seinen Angst und Flucht durchstreicht

Die schwarzen blutbetrieften Wälder.

Cherusker, euch hieß Recht und Wein

Den Deutschen gleich und muthig sein,

Und so muß Romuls Adler beben.

Ihr kämpft und rächt das Vaterland,

Ihr schlagt und pflanzt mit tapfrer Hand

Bald Siegeszeichen, bald auch Reben.

 

O höret! Welch ein Freudenfest

Auf jenem traubenvollen Hügel?

Man jauchzt und singt, und alles läßt

Der Freiheit und der Lust den Zügel.

Es ist die Lese. Jeder lärmt

Und lacht und schreit und spielt und schwärmt

Und läßt sich nichts zu scherzhaft dünken.

Die Fässer werden voll geschafft,

Die Kelter preßt den süßen Saft

Und seufzt, wann manche Wasser trinken.

 

Dort kömmt nach selbstgestimmtem Ton

Der Winzer Urban mit Brigitten.

Kaum tanzt er vor, so fällt er schon,

Der Wein und er sind ausgeglitten.

Ha! ruft er und steht wieder auf:

Hier tanzt sich′s mit zu schnellem Lauf.

Ich glaube fast, ich bin gefallen.

Er dehnt sich, lacht und zeigt den Gaum

Und springt und stampft und kann noch kaum

Sein Hoch! mit schwerer Zunge lallen.

 

Wie schwenkt sich Cunz, der Ackerknecht,

Mit seiner braunen Adelheide!

Gelt, Schätzle, gelt! so tanzt sich′s recht,

Und das heißt mehr als Kirmeßfreude.

Er wischt und stellt sich, und sein Fuß

Scharrt bäurisch zu dem kurzen Gruß.

Er eilt, sie männlich anzugreifen.

Er trinkt auf jeden Tanz ein Glas

Und scheinet Stoppeln, Haid′ und Gras

Mit ihr fast fliegend durchzustreifen.

 

Ein Grübler trinkt, beseufzt sein Leid

Und sammelt Flüche, Furcht und Dünste,

Und seine Galle prophezeit

Pest, Wolkenbruch und Feuersbrünste.

Wie, murrt er, trügerischer Wein!

Sollst du der Sorgen Tröster sein

Und kannst nicht meiner Schwermuth wehren?

Du fließest; aber mir zur Last.

Ihr Tropfen seid mir nun verhaßt;

Ihr alle werdet mir zu Zähren.

 

Spavento füllt sein Glas mit Wein.

»Ihr Herren,« spricht er, »laßt uns leben!

Geh′, Schenke, bringe mehr herein,

Doch mußt du alten Festwein geben.

Der alte Wein befeurte mich,

Als mir bei Hochstädt alles wich,

Wo ich des Bassa Roßschweif kürzte,

Der, als er blutig mir entlief,

Den Nepomuc zu Hilfe rief

Und dann sich in die Wolga stürzte.«

 

»Kund und zu wissen sei hiemit,

Daß ich auch Mohren übermannte,

Und zu Morea, bei Madrit,

Den Pontus im Euxin verbrannte.

Nun denk′ ich an die Heldenzeit;

Ich lobe mir nur Tapferkeit.

Dies Schwert weicht keinen Hannibalen.

Beim Element! es hält sich frisch.«

Gleich wetzt er es auf Bank und Tisch,

Und Kannen, Licht und Teller fallen.

 

Ein Alter spricht: Was soll dies sein?

Du Bluthund! zeige dein Vermögen.

Mein Kleid ist hin; es fleckt der Wein.

O wäre meine Frau zugegen!

Allein ich selbst, ich stehe dir.

Du Türkenwürger! komme mir,

Machst du mein feines Tuch zunichte?

Noch fließt der Wein; noch werd′ ich naß.

Gevatter, hilf und wirf das Glas

Dem Eisenfresser ins Gesichte.

 

Nur immer drauf! Nur unverzagt!

»Ihr Furien!« Wie? Darfst du schelten?

Das Bankbein her! Zerbläut ihn! Schlagt!

Sein Maul soll jedes Wort entgelten.

Er flucht und keicht und schreit und schnaubt.

»Zum Henker! ist es hier erlaubt,

Mit guten Freunden so zu scherzen?«

Allein man rächt des Bassa Tod.

Spavento fällt und schwört und droht,

Den falschen Streich nicht zu verschmerzen.

 

So geht′s. Erweckt der Wein den Muth

In ungestalten wilden Seelen;

So weiß sich in entflammter Wuth

Der Thracier nicht zu verhehlen.

Die Tobsucht reicht Gefäße her,

Da wird die Flasche zum Gewehr,

Da wechselt man, statt Kugeln, Krüge.

Da stößt das erste Glas alsdann

Geselligkeit und Freundschaft an.

Und Eris mischt die letzten Züge.

 

Doch tadelt nicht das edle Naß,

Verdammet nicht des Weinstocks Gaben,

Als müßten Zank und Groll und Haß

Durch sie nur größre Nahrung haben.

Euch widerleget jenes Paar,

Das ganze Jahre zwistig war

Und sinnreich in Begünstigungen.

Sie stellen alle Klagen ein

Und appelliren an den Wein

Von Urthel und von Läuterungen.

 

Wie mancher, dem der Wein gefällt,

Als wär′ er Gift und Rügewasser,

Entlarvt, wenn nichts sein Herz verstellt,

Den Schalksfreund, Filz und Menschenhasser!

Wer Tücke heckt, muß nüchtern sein.

Mit Recht flieht Euclio den Wein.

Er trinkt und lacht mit halbem Munde

Und folgt der Zunft der Kargen nach,

Fälscht seinen Wein durch jenen Bach

Und rühmt sich nur der Wasserkunde.

 

O warum sucht die fernste Bank

Ein Aeltester der Zionsbrüder?

Ihm wird sein Most zum Liebestrank,

Der Heilige girrt Buhlerlieder.

Sein brünstig Aug′ erheitert sich,

Er liebet mehr als brüderlich

Die Schwester, die ihn hier begleitet,

Und die er, als ein folgsam Kind,

Das seine Führung liebgewinnt,

Zum Leiden und zur Stille leitet.

 

Der Wein, der aller Herz erfreut,

Gibt den Magistern, die dort zechen,

Statt Eintracht und Gefälligkeit,

Allein die Lust zu widersprechen.

Wie glücklich sehen sie beim Wein

Die Fugen der Soriten ein!

Der Wein muß nie der Wahrheit schaden.

Der Rausch beleuchtet jetzt durch sie

Die vorbestimmte Harmonie,

Die beste Welt und die Monaden.

 

Weit klüger war Anacreon,

Der seinen Most besang und lachte,

Der Weinberg war sein Helicon,

Wo er, wie Gleim und Ebert, dachte.

Die Morgenrosen um sein Haubt,

Die Blicke, die sein Herz geraubt,

Wie wurden die von ihm erhoben!

Oft nahm der Reben Lob ihn ein.

Nicht schöner konnten dich, o Wein!

Die Götter, die dich tranken, loben.

 

Auch du beseligst ihren Stand.

Zeus hält sich keinen Wasserschenken.

Es muß ihm Ganymedens Hand

Zum Nectar die Pocale schwänken;

Die leert er bei dem Götterschmauß

Auf jeder Göttin Wohlsein aus.

Man hört die Tischmusik der Sphären.

Oft reichte Mars ein volles Glas,

Wenn ihr Vulcan nur abwärts saß,

Der himmlisch-lächelnden Cytheren.

 

Was seh ich? Was entdeckt sich mir?

Dort seh ich einen Tempel glänzen,

Und wie den Eingang und die Thür

Der Epheu und die Reb′ umkränzen.

Die güldnen Flügel thun sich auf;

Ich sehe der Bacchanten Lauf;

Ich sehe sie mit ihren Stangen.

Sie tanzen, und ihr Lustgeschrei

Zeigt, was der Reben Wirkung sei,

Die jetzt um ihre Scheiteln hangen.

 

Der Trommeln Schlag, der Cymbeln Klang

Durchtönt den Jubel der Mänaden.

Es steigt ihr muthiger Gesang,

Der Chöre Nachruf einzuladen.

Sie rasen, aber nur zur Lust;

Sie rasen mit entblößter Brust.

Die Locken flattern ungebunden,

Wie Ariadnens glänzend Haar

Ein Spiel der regen Winde war,

Als Bacchus sie am Meer gefunden.

 

O daß kein ungeweihter Schwarm

Die Priesterinnen unterbreche!

Sie schütteln mit erhabnem Arm

Das Erz der runden Klapperbleche.

Nun macht ihr liedervoller Mund

Des Rebenvaters Größe kund

Und was Osir Egypten lehrte;

Wie dort, durch seine Milde nur,

Die weinbedürftige Natur

Durch dessen Bau ihr Ansehn mehrte.

 

Wie er mit fürchterlicher Macht

Des Ganges Völker überwunden,

Zuerst des stolzen Siegers Pracht,

Den reizenden Triumph, erfunden,

Und wie ihn, um des Indus Strand,

Sein kriegerischer Elephant

Durch manch′ erfochtnes Reich getragen,

Auch wie er, in dem Götterstreit,

Mit wahrer Löwen-Tapferkeit

Den stärksten Riesen selbst erschlagen.

 

Der Opferbrand wird angeschürt;

Die Priester stellen sich in Reihen.

Es wird ein Bock herbeigeführt,

Den sie mit Mehl und Salz bestreuen;

Man rauft aus seiner Stirne Haar

Und wirft es auf den Rauchaltar,

Läßt Wein auf seine Hörner fließen

Und zuckt den Stahl und naht der Glut,

Und eilt, das längstverwirkte Blut

Des Rebenfeindes zu vergießen.

 

Er zappelt, stirbt und wird zerstückt;

Man untersucht die Eingeweide.

Herz, Lung′ und Leber sind beglückt,

Und jedes Zeichen weissagt Freude.

Die Schlange, die der Korb bedeckt,

In dem ein groß′ Geheimniß steckt,

Kriecht nun hervor und will sich zeigen.

Es kracht der Heiligthümer Sitz!

Der Tempel bebt; es strahlt der Blitz;

Es donnert links, und alle schweigen.

 

Der krummgehörnte Gott erscheint;

Centauren ziehen seinen Wagen;

Ein Satyr, der sich froh beweint,

Wird ihm von Panen nachgetragen.

Das Fichtenlaub, der Eppichstrauch

Umschatten seinen Kopf und Bauch:

Sein Pardel brüllt, doch nicht zu schrecken;

Er wittert noch der Löwin Haut,

Die man um Bacchus Schultern schaut,

Und die kann ihm nur Lust erwecken.

 

Ein tausendfacher Jubelschall

Der Bacchen, Satyren und Faunen

Ermüdet nun den Wiederhall

Und setzet alles in Erstaunen.

So bricht aus tiefer Höhlen Schooß

Das Heer der Winde brüllend los,

Braust um den Hain, kracht in den Eichen,

Zischt durch die Wipfel, schlägt, zertheilt

Die Esche, die im Fallen heult,

Und rauscht und wirbelt in den Sträuchen.

 

Ich werde neuer Lust gewahr:

Nun seh′ ich alles sich umkränzen.

Es gaukelt dort der Larven Schaar

In phrygischen Sicinnistänzen.

Lenaeus steigt vom Wagen ab,

Er wanket mit dem Thyrsenstab,

Und strauchelt überzwerch und lachet.

Sein Trinkhorn schäumt vom Rebensaft.

Er trinkt mit Aeglen Brüderschaft

Und fragt, was ihr Silenus machet.

 

Es kömmt der reitende Silen;

Sein Esel hätt′ ihn bald verloren.

Er schilt und schlägt ihn, heißt ihn gehn,

Und zerrt ihm die gesenkten Ohren.

Er wirft sich taumelnd hin und her;

Ihm wird der trunkne Kopf zu schwer;

Er sinkt und torkelt auf die Erde,

Und kriecht und wälzt sich um sein Thier:

Ihr trägen Faunen! helfet mir,

Und setzt mich wiederum zu Pferde.

 

Er fordert stammelnd Chier Wein,

Mit schweren Lippen, starren Wangen.

Er lacht ihn an: nichts ist so rein;

Er will den, der ihn bringt, umfangen.

Ha! schreit er, Vater Bacchus, steh!

Ich trink′, o Evan, Evoe!

Nun schließt er sich an seinen Schimmel.

Er säuft den Wein in einem Zug.

O dieser schmeckt! Für′s erste g′nug!

Und wirft den leeren Kelch gen Himmel.

 

Will alles sich dem Aug′ entziehn?

Verschwindet alles in die Lüfte?

Der Gott und sein Gefolge fliehn

In Schatten, Wolken, Dampf und Düfte.

Ja! Bacchus eilt zur Oberwelt;

Der Rauchaltar, der Tempel fällt,

Und ihn verlieren meine Blicke.

Sah ich auch wirklich? Ja! Doch nein!

Ein Traum nahm Aug′ und Sinnen ein

Und läßt mir nur sein Bild zurücke.

 

O wie begeistertest du mich,

Wein, der Entzückung Quell und Zunder!

Du wiesest mir jetzt sichtbarlich

Der Alten fabelhafte Wunder.

Du gibst auch nicht der Stille Raum,

Und ich enthalte mich noch kaum,

Daß ich dein Lob von neuem zeige.

Du brausender und frischer Most,

Des Herbstes Ehre, Götterkost!

Mein Lied ... allein ich trink′ und schweige.



(* 1708-04-23, † 1754-10-28)



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