Kindesthränen


Willst du die Leiden dieser Erde,

Der Menschheit Jammer ganz versteh′n,

Mußt du mit scheuer Gramgeberde,

Ein Kind im Stillen weinen seh′n;

 

Ein Kind, das eben fortgewichen

Aus fröhlicher Gespielen Kreis

Und nun, vom ersten Schmerz beschlichen,

In Thränen ausbricht, stumm und heiß.

 

Du weißt nicht, was das kleine Wesen

So rauh und plötzlich angefaßt -

Doch ist′s in seinem Blick zu lesen,

Wie es schon fühlt des Daseins Last.

 

Wie es sich bang und immer bänger

Zurück schon in sein Inn′res zieht,

Weil es Bedränger auf Bedränger

Mit leisem Schaudern kommen sieht.

 

Willst du die Leiden dieser Erde,

Der Menschheit Jammer ganz versteh′n:

Mußt du mit scheuer Gramgeberde

Ein Kind im Stillen weinen seh′n.



(* 1833-09-30, † 1906-07-24)



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