Namenlos


1.

 

Ich habe nur ihr großes Herz gekannt

Und ihres teuren Leibes Paradies. -

Nicht weiß ich, wer sie war und wie sie hieß,

Denn ihren Namen hat sie nie genannt.

Doch auch den meinen wies sie stolz zurück:

"Ich brauch′ ihn nicht! - In meiner Seele lebt

Für alle Zeit das namenlose Glück,

Mit der Erinnerung an Dich verwebt." -

 

Du bist ihr gleich, Du bräunlich blasses Kind. -

Dein tiefgelegnes, dunkles Auge rief

Vergangnes jach empor. - Ein Wirbelwind

Wühlt Alles auf, was tränenmüde schlief.

Und wieder flutet um das teure Bild

Der süßesten Erinnerungen Meer,

Und aus der Seele, stoßend, dumpf und schwer,

Ein fassungsloses Schluchzen bricht und quillt.

 

2.

 

Manches Mal, in stillen Nächten,

Steigt mir noch Dein Bild empor

Und ich kann′s nicht, kann′s nicht fassen,

Daß ich Dich so ganz verlor.

 

Deine großen, braunen Augen,

Mit den Wimpern lang und schwer,

Blicken ganz noch wie vor Zeiten

Warm und innig zu mir her.

 

Als in jener dunklen Stunde

In das fremde Land Du gingst

Und zum allerletzten Male

Weinend mir am Halse hingst,

 

Damals hast Du mir versprochen:

"Hören wirst Du bald von mir"

Aber niemals kam ein Zeichen,

Niemals nur ein Gruß von Dir.

. . .

 

Wilder Schmerzen wüstes Toben

Hat in Wehmut sich gewandt,

Und im raschen Lauf der Tage

Selbst Dein Bild dem Geist entschwand. -

 

Manchmal nur in stillen Nächten

Steigt es mir noch heiß empor -

Und ich kann′s nicht, kann′s nicht fassen,

Daß ich Dich so ganz verlor.



(* 1870-05-29, † 1928-10-26)



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