Von einem Kauz


»Viel Vögel sind, die hassen mich:

Ich bin ein Kauz und acht′ es nicht.«

 

*

Ein Rabe ruft vom Bergesrand

Hoch aus der Esche Gabel,

Er hält die Schwingen fluggespannt

Und wetzt sich seinen Schnabel:

 

»Was hausest du im holen Stein?

Der Weltlust abgekehret?

Sag an, du braunes Waldkäuzlein,

Wer hat dich das gelehret?«

 

Der Kauz schlägt mit den Schwingen

Und drückt das Auge zu:

»Forsch′ Du nach weisen Dingen

Und laß mich hier in Ruh.«

 

Der Rabe flog von dannen,

Das Käuzlein rüttelte sich:

»Nun sagt mir′s, Waldnacht-Tannen!

Denn wissen möcht′s auch ich.«

 

*

Die Nachtigall in Rosen sang.

Sie sang mit süßem Locken,

Und wie sie sich zu Walde schwang,

Sah sie das Käuzlein hocken.

 

Da ließ sie lauter als zuvor

Ihr jauchzend Schmettern schallen:

»Flieg aus! griesgrämig, scheuer Thor!

Laß Dir die Welt gefallen!« -

 

Und schoß dahin, und hinter ihr

Haucht′s wie aus Wunderblüthen. -

Und schmollend durch das Flöten ihr

Scholl nach des Kauzes Wüthen.



(* 1834-02-09, † 1912-01-03)



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