Musik


Im Wasgenwald tönte der Abendwind.

Ich ging in Straßburgs Sommerstraßen.

Vom Wasgenwald wehte Musik über Dächern,

daß alle die Giebel und blanken Zinken

erglühend zitterten.

 

Ums Münster aber war die Luft von Purpur.

Hier, auf den Flügeln des Westes herübergekommen,

hier sank das Lied der rot erstaunten Wälder

herab, hier wo Musik in Steinen wohnt.

 

Ihr großen Wälder mit den alten Stämmen

und Felsen, rauh gezackt, dämmernde Dörfer,

so tief versenkt in roter Nebel Flut,

und Wohlgerüche, die der Abend atmet.

 

Also voll Süße war das Spiel der Lüfte,

daß ich, nachlauschend dem Verklungenen,

hier mitten im bunten Kreisen der Stadt,

nur unter Tannen schritt, die waldig wogten,

nur Büsche glühen sah und Johanniswürmer,

und vor mir, der ich folgte, solch ein Mädchen,

das wie aus Tau gebaut war.

 

Und fern ein Licht, mein Haus, darin ich feiern würde

ein Fest der Sommerliebe bei rotem Wein

und leisem Geigenstreichen.

 

Ja deine Lippen dufteten so nach Harz

und feuchten Gräsern, die ein Reh zerknickt.

Ja du warst süß und berauschend wie das Lied,

das von den rot geschauten Bergen vorhin

in meine Adern gezittert ist.



(* 1890-01-06, † 1914-09-26)



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