Deine Haare


Heute reizen mich deine Haare.

Sie sind ein trunkenes Lichterspiel.

Die Seele eines Malers müßte immer in Leuchten aufstehn

vor solchem Scheinen!

Aber ich bin ein Dichter.

Ich sinke.

Versinke tief in flutrauschenden Traumsinn.

Ich träume.

Ich träume in deine Haare eine Landschaft hinein.

 

Schwül zieht ein Strom aus großen Dämmerungen

zum Vordergrund in spät besonnten Schein.

Die reichen Dünste halten Klarheit weich umschlungen.

Ich glaube, hinter breiten Palmenfächern lebt ein Schein

von einem blanken Marmorstein.

Der Abend duftet von Opferbränden,

aufwölkend einer Göttin dargebracht.

Mit zitternden Händen

hat jemand ein Feuer angefacht.

Die Flammen knistern, die Funken sprühen

in staunende Ferne. -

Ich sehe sie oben glühen:

Die ersten Liebessterne.



(* 1890-01-06, † 1914-09-26)



Weitere gute Gedichte von Ernst Wilhelm Lotz zum Lesen.