Die Grotte


Mit schaueriger Wonne

Befahr′ im leichten Kahne

Ich die helldunkle Grotte

Unabsehbarer Tiefe,

Die die Natur euch, Helden

Der grauen Vorzeit, prachtvoll

Hier aufgebaut aus zahllos,

Statt Mauern, aneinander

Gedrängten Säulenreihen,

Um ungestört im Kreise

Der Freunde auszuruhen

Vom wilden Sturm der Schlachten.

Nach tausend Jahren steten

Bestrebens, dich, o Grotte,

Entweder unversehret

Im Schooße seiner Wogen

Auf einmal zu begraben;

Oder, allmählig deine

Zahllose Säulenmenge

Zertrümmernd, endlich einmal

Vom Antlitz dieser Insel

Dich spurlos zu verwischen,

Was hat das Meer gewonnen

Mit allem seinem Wüthen?

Nichts, als daß es die Säulen,

Die deinen Eingang zierten,

Mit Müh′ und nur zur Hälfte

Zerbrach, und dieser Grotte

Einst glänzend Estrich etwa

Zwei Fuß hoch jetzt bedecket

Beim höchsten Stand der Wogen.

Warum lebt′ ich nicht damals,

Als Ossian im Kreise

Der horchenden Gefährten

Hier zu der goldnen Harfe

Die Heldenthaten Fingal′s

Und Swaran′s sang, dem Freunde

Und Feinde Lob ertheilend

Mit unparthei′scher Seele!

Singst du von Fillan′s, Oskar′s

Zu frühem Tod, der Söhne

Beraubter Vater! Thränen

Erfüllen mir das Auge:

Denn ich gedenk′ der Brüder,

Die in entfernter, fremder,

Nicht heimathlicher Erde

Vom Kampfe für die Heimath

Nun ruhn, wo weder Mutter

Noch Schwestern ihre Gräber

Besuchen, und mit Blumen,

Von Thränen naß, bei Rückkehr

Des Lenzes, zieren können!



(* 1808-07-05, † 1825-11-19)



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