Der Kukuk


Sag′ mir, o lieber Kukuk,

Warum macht deine Stimme,

Die ich so gerne höre,

Mich jedesmal so traurig?

Wenn andre Vögel singen,

So horch′ ich freudig ihrem

Lauttönenden Gesange;

Doch geh′ ich meines Weges.

Hör′ aber deine Stimme

Ich nahe oder ferne

Ertönen; unwillkührlich

Bleib′ ich dann stehn, und (dieses

Sagt′ einmal mir die Mutter)

Es drücken meine Züge

In sonderbarer Mischung

Entzücken aus und Trauer.

Ich habe zweimal, weil man

Es so von mir verlangte,

Und ich vor den Gespielen

Nicht furchtsam scheinen wollte,

Dich um die Zahl der Jahre

Gefragt, die mir der Himmel

Auf Erden zu verleben

Bestimmt. Nach deiner Antwort

Würd′ ich′s auf hundert Jahre

Und mehr vielleicht noch bringen.

Dem ungeachtet aber

Bemächtiget sich meiner

Ein Schauder, den ich mir nicht

Erklären kann. Sag′, guter

Geliebter Vogel, werde

Ich wirklich lange leben?

Mir ahnet oft, ich werde

Nicht lange auf der Erde

Verweilen, und schon frühe

Den Brüdern folgen, welche

Die Erde früh verließen,

Ach! auf dem öden Schlachtfeld

Vielleicht in langen Leiden

Den jungen Geist aushauchend!



(* 1808-07-05, † 1825-11-19)



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