Die verliebte Jägerey


Die Lieb ist gleichsam eine Jagt,

Da sich ein grosser Hauffen

In die Gebüsche wagt,

Wo Angst und Müh entgegen lauffen,

Und wo die gantze Welt

Sich fast in das Gehäge stellt.

 

Die Netze sind von Heucheley

Und Eitelkeit gestricket,

Darinnen wird die Treu

Der jungen Einfallt offt berücket,

Und wer nicht langen kan

Der flickt ein bißgen Hoffnung dran.

 

Der Spürhund ist die Ungedult,

Der billt und läst sich hören,

Die Unschuld mit der Schuld

In ihrem Lager zu verstören:

Wie ist er doch bemüht

Eh er das Wild vor Augen sieht?

 

Und also muß der Windhund fort

Durch bitten und Versprechen,

Durch Klagen da und dort

Die ungewisse Bahne brechen,

Biß man den gantzen Rest

Der grossen Docken lauffen läst.

 

Oft schiest man Ehr und Tugend todt,

Dann die verliebten Minen

Sind wie der Haasenschrot:

Wohl denen die sich so bedienen!

Denn wer ein Narr will seyn,

Schiest gar mit silbern Kugeln drein.

 

Wiewohl manch armer Jäger sagt

Er hab es gut erlesen,

Und hab ein Reh gejagt,

So ist es kaum ein Fuchs gewesen:

Und wer den Hirschen hetzt,

Nimmt wol ein Eichhorn auff die letzt.

 

Offt setzt ein Hauer seinen Zahn

In die getroffne Liebe

Mit solchem Eyver an,

Daß alle Gunst in einem Hiebe

Zu Grund und Boden geht,

Und wenn sie noch so feste steht.

 

Doch geht, ihr Freunde, geht ins Feld,

Habt ihr mit euren Netzen

Schon einmahl auffgestellt,

So seid ihrs schuldig fortzusetzen:

Denn der ist übel dran

Der hetzen und nicht fangen kan.



(* 1642-04-30, † 1708-10-21)



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