Der Zwölf-Elf


Der Zwölf-Elf hebt die linke Hand:

Da schlägt es Mitternacht im Land.

 

Es lauscht der Teich mit offnem Mund

Ganz leise heult der Schluchtenhund.

 

Die Dommel reckt sich auf im Rohr

Der Moosfrosch lugt aus seinem Moor.

 

Der Schneck horcht auf in seinem Haus

Desglelchen die Kartoffelmaus.

 

Das Irrlicht selbst macht Halt und Rast

auf einem windgebrochnen Ast-

 

Sophie, die Maid, hat ein Gesicht:

Das Mondschaf geht zum Hochgericht.

 

Die Galgenbrüder wehn im Wind.

Im fernen Dorfe schreit ein Kind.

 

Zwei Maulwürf küssen sich zur Stund

als Neuvermählte auf den Mund.

 

Hingegen tief im finstern Wald

ein Nachtmahr seine Fäuste ballt:

 

Dieweil ein später Wanderstrumpf

sich nicht verlief in Teich und Sumpf.

 

Der Rabe Ralf ruft schaurig: "Kra!

Das End ist da! Das End ist da!"

 

Der Zwölf-Elf senkt die linke Hand:

Und wieder schläft das ganze Land.

 

(aus "Galgenlieder")



(* 1871-05-06, † 1914-03-31)



Weitere gute Gedichte von Christian Morgenstern zum Lesen.




Kommentare


  • Reiske, Andreas Werner
    Wunderbar ...
    Besonders, da der »Zwölf-Elf« drei Gedichte später auf einer Namensänderung besteht, er meint nämlich, er heiße irgendwie umständlich ... Köstlicher Humor. Und doch eine sehr düstere Szene.

  • Reiske, Andreas Werner
    Der Zwölf-Elf:
    »... Ich heiße unbequem ... «