Ist denn dein hertze gar erfroren?


Ist denn dein hertze gar erfroren?

Bist du aus schnee und eiß gebohren?

Hörst du mein seuffzen nicht/

Und was mein unmuth spricht?

Soll ich dich göttin nennen?

So nimm des himmels wehmuth an/

Der leichtlich sich erbarmen kan/

Und uns nicht ewig läst in hoffnungs-flammen brennen.

 

Des blutes regung zu vermeiden/

Und gantz von fleisch und blut zu scheiden/

Ist nirgends ein gebot/

Es heissets auch nicht Gott;

Sich selber zu verlassen

Ist eine flucht/ so sträfflich ist/

Und wer ihm solche bahn erkiest/

Den muß die menschlichkeit als einen unmensch hassen.

 

Du kanst ja deiner nicht geniessen/

Kein mund weiß selber sich zu küssen/

Der schnee auff deiner brust

Bringt dir geringe lust.

Die fleischichten Granaten

Seynd nicht allein vor dich erdacht/

Kein mensch ist vor sich selbst gemacht;

Es weiß der klügste geist ihm hier nicht recht zu rathen.

 

Die rose suchet ihr verderben/

Die auff dem stocke wünscht zu sterben/

Und nur ihr gantz allein

Meynt angetraut zu seyn.

Wilst du dich selbst begraben?

Wer sich in sich umsonst verzehrt/

Ist warlich seiner selbst nicht werth/

Und muß der thorheit schild an seiner grabstatt haben.

 

Bezwinge weißlich dein gemüthe/

Und folge zeitlich dem geblüte/

Darein im paradieß

Gott selber funcken bließ;

Wer kan ihm widerstreben?

Schau ich dein helles antlitz an/

So fühl ich was der himmel kan/

Und wünsch auff deiner brust verparadießt zu leben.



(* 1616-12-25, † 1679-04-18)



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