Choral


Nach dem Polnischen des Cornelius Ujiwski.

 

Mit dem Dampf des Bruderblutes, mit der Brände lohem Wallen

Schwinge dich, du Schrei des Jammers! aufwärts zu den Himmelhallen!

Steig empor, du bange Klage eines Schmerzes sonder Gleichen.

Du Gebet, bei dem des Beters Haare rasch zu Schnee verbleichen!

Todesmüd ist unser Nacken von jahrhundertlanger Frohne,

Tiefer stets in uns′re Schläfe bohret sich die Dornenkrone.

Dennoch, Herr! wie streng und zürnend sich dein Antlitz von uns wende,

Dir vertrauend immer wieder heben wir empor die Hände.

 

Oftmals hat mit schweren Schlägen deine Geißel uns getroffen,

Aber fest und unerschüttert blieb der Herzen muthig Hoffen!

Blutend, ach! und unterliegend riefen glaubenskühn wir Armen,

Gott ist unser Vater, – seiner Kinder wird er sich erbarmen!

Eh′ geheilt noch uns′re Wunden griffen nach dem Schwert wir wieder,

Und aufs neu trat des Tyrannen Übermacht zum Staub uns nieder!

Einen Grabstein wälzend über unser Hoffen, unser Lieben,

Höhnt′ er: »wo ist euer Vater, wo ist euer Gott geblieben?«

 

Aufwärts blickend nach den Sternen, flehten wir in Rachepsalmen:

Stürzt aus euern Höhen nieder, um den Frevler zu zermalmen!

Aber unbekümmert schwebten fort sie in dem gold′nen Reigen;

Stille rings! nur sanft Gezwitscher in den blüthenschweren Zweigen!

Da umkrallten uns′re Seele der Verzweiflung Tigerpranken,

Unser Muth begann zu schwinden, uns′re Zuversicht zu wanken,

Und es lästerten die Lippen dich im Übermaß der Schmerzen, –

Aber nicht nach unsern Worten, richte uns nach unserm Herzen!

 

Eine Sündenernte mußte solcher gift′gen Saat entspringen.

Gräuelthaten ohne Namen sahen schaudernd wir vollbringen!

Mütter fielen von der Söhne, Brüder von des Bruders Streichen, –

O wie viele Stirnen tragen Kains dunkles Mörderzeichen!

Doch wie schwer sie sich vergangen, wie Entsetzliches verbrochen,

Seien sie von dir, du milder Richter! dennoch losgesprochen!

Finst′re Höllenmächte haben sie zum Schreckenswerk gezwungen.

Nicht das Schwert wirst du bestrafen, nein! den Arm, der es geschwungen! –

 

Von der ganzen Welt verlassen, unterdrückt, halb aufgerieben,

Sind wir dir und unserm Glauben unverbrüchlich treu geblieben!

Wie zum Nest der müde Vogel, flieh′n mit uns′rer Grambeschwerde

Wir zu dir, auf daß in deinem Schooß uns süße Ruhe werde.

D′rum, o Herr! laß Milde walten! ebne uns′re Dornenpfade!

Kräft′ge die erschöpften Herzen mit dem Zeugniß deiner Gnade!

Laß den Kranz des Märtyrthumes uns mit frischem Muth umhauchen!

Laß aus seinem heil′gen Lichte neu verjüngt die Seele tauchen!

 

Deine Engel an der Spitze, wir ihr kämpfendes Geleite,

Du der Deinen Schild und Wehre, ziehen wir hinaus zum Streite,

Und von des besiegten Satan in den Staub gestürzten Hallen

Soll dein lichtgewobnes Banner in dem Hauch der Lüfte wallen!

Den verirrten Brüdern wollen wir die Hand entgegen strecken,

Denn der Freiheit Feuertaufe nimmt hinweg der Sünde Flecken!

Lästerer und Zweifler werden dann von ihrem Wahn genesen,

Fühlend, daß zu allen Zeiten Gott mit seinem Volk gewesen!



(* 1814-12-30, † 1894-07-05)



Weitere gute Gedichte von Betty Paoli zum Lesen.